■ Nachschlag: Quirlige Bewegungen im Raum: Die Pretty Ugly Dance Company
Um den kürzesten Weg geht es nie. Wenn die „Pretty Ugly Dance Company“ von Amanda Miller tanzt, füllt sie den Raum mit einer quirligen, kleinteiligen Lebendigkeit, jeden Moment bereit, die Richtung zu ändern. Jede Bewegung scheint unzählige Ebenen des Raums zu durchqueren und dabei unvorhersehbare Impulse zu empfangen. Einwärts, auswärts huschen die Füße und Knie, zierlich wird jede Arabeske in eine spielerische Folge zerlegt. Posen, pathetische Momente, eine sich selbst feiernde Virtuosität werden nicht geduldet. Hände spiralisieren auf- und abwärts, ständig verlagern sich die Schwerpunkte. Die Musik läuft in kurzen Sequenzen rückwärts, eine Landschaftskulisse hängt mit dem Himmel nach unten, warum soll da nicht die Zeit selbst ihre lineare Struktur verlieren.
Der Raum jedenfalls gehorcht ganz gewiß nicht mehr den zentralperspektivischen Ordnungsmustern des Balletts. Dennoch verraten die filigranen Gesten ihre Abkunft vom klassischen Tanz. Spurenelemente höfischer Festlichkeit finden sich nicht nur in den Kostümen, die Miller für „The Previous Evening I, II & III“ entworfen hat. Der flatternde Tüll, das anmutige Überkreuzen der Beine, die leichte Neigung des Kopfes, selbst die sich fast im Schatten verlierenden Requisiten eines Puppentheaters könnten einem Gemälde Watteaus entsprungen sein.
Ganz dem Geist der neunziger Jahre entsprechen dagegen die Aufhebung jeder erkennbaren Ordnung und die Offenheit der Strukturen. Kein Chor, keine Solisten. Pendelnd zwischen Zweier- und Dreiergruppen, füllen die Tänzer, die teils in den offenen Kulissen weitertanzen, die Bühne mit einem „All Over“ wie in einem Bild des abstrakten Expressionismus. Überall ergeben sich Anschlußmöglichkeiten, Vernetzungen. Millers Tanz ist nicht mehr Modell sozialer Strukturen oder libidinöser Kämpfe. Seine Freiheit ist vielmehr die einer Wahrnehmung, die keine Bedeutung der Zeichen mehr voraussetzt. Nur im letzten Teil der Choreographie, „Trip to the moon“, der im Hebbel-Theater uraufgeführt wurde, verlor sich der Eindruck großer Offenheit etwas ins Zögerliche, Zaghafte. Die acht Tänzer spielten mit Projektionen und Laterna-magica-Bildern wie auf der Suche nach einer Auflösung. Aber noch bevor man die Geduld verlor, war das Stück, das die Choreographin selbst als offenen Prozeß begreift, schon zu Ende. Katrin Bettina Müller
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