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Archiv-Artikel

Nachgefragt Wider die glücklichen Pragmatiker

Der ehrwürdige Schelling hat gesagt: „Vom Nutzen der Philosophie zu reden, achte ich unter der Würde dieser Wissenschaft.“ Wie sehen Sie das?

Herbert Schnädelbach, Philosoph: Ich denke, dass man Philosophie nicht studieren sollte, wenn man damit bestimmte Karriereambitionen verbindet. Aber es hängt nicht, wie Schelling meint, daran, dass zu Philosophie eine besondere Genialität im Denken erforderlich ist. Wir philosophieren, wenn wir Orientierungsbedürfnisse haben, unsere Grundsätze ins Wackeln kommen, ihre Anwendung schwierig wird.

Beim Sparen denken die Universitäten gern an ihre Philosophen. Dabei ist die Philosophie ja relativ kostengünstig.

Ich habe nie verstanden, dass man bei einem preiswerten Fach, nach dem so eine lebhafte Nachfrage besteht, so früh daran denkt, es herunterzufahren. Ich glaube, das sind hauptsächlich Politiker und Bürokraten, denen philosophischen Fragen wie „Was verstehen wir eigentlich unter Gerechtigkeit?“ nie in den Sinn gekommen sind. Es sind dieselben glücklichen Pragmatiker, die damals Sokrates für einen nutzlosen Schmarotzer hielten.

Einer dieser glücklichen Pragmatiker ist der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), der gesagt hat: Bayern braucht mehr Ingenieure und weniger Philosophen.

Also ich glaube, dass er mit dem Wort Philosoph die Geisteswissenschaftler insgesamt meint. So viele Philosophen gibt es ja auch in Bayern nicht, dass man da wirklich sparen könnte. Es ist ein historisches Unglück der Philosophie, mit den so genannten Geisteswissenschaften in einen Topf geworfen zu werden. Da glaubt man immer, man könne abbauen.

Wenn nicht zu den Geisteswissenschaft, wozu würden Sie die Philosophie dann zählen?

Die Philosophie liegt quer zu allen Fächern. Es gibt eine wichtige Philosophie der Mathematik, der Biologie oder auch der Wirtschaft. Es wird oft übersehen, dass die Philosophie eine Tätigkeit der gedanklichen Orientierung ist, die in allen wissenschaftlichen Fächern passiert und da häufig dilettantisch betrieben wird.

Dilettantisch?

Denken Sie an die Debatte über die Willensfreiheit bei den Neurophysiologen, die keine Ahnung haben, was darüber unter Philosophen die letzten fünfzig Jahre gemacht worden ist.

Tatsächlich wird von einigen gemahnt, dass sich die Philosophie stärker zu aktuellen Debatten äußern sollte – und das da wenig zu hören sei.

Das kann ich so überhaupt nicht finden. Der Punkt ist ja immer der: Was könnten Philosophen denn sagen? Es gibt so viele Beispiele, wo sich Philosophen fürchterlich blamiert haben. Ich denke nur an Heidegger und den Nationalsozialismus. Ansonsten finde ich nicht, dass zu wenig Philosophie passiert. Denken Sie an den nationalen Ethikrat und die Enquete-Kommission beim Gesundheitsministerium.

Interview: Friederike Gräff