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NachgefragtJunkies willkommen

■ Interview mit Ortsamtsleiter Mühl

Ex-Junkies sollen in eine schmucke Villa am Schwachhauser Ring 110 ziehen, um sich dort bei der gemeinnützigen GmbH STEPS einer Therapie zu unterziehen. Die Nachbarn protestieren. Die Beiratsmitglieder hatten dem Projekt im Rahmen einer Bauvoranfrage im September grundsätzlich zugestimmt. Doch als jetzt die ersten Betten angeliefert wurden, mokierte sich auch der Beirat. Wir wollten von Ortsamtsleiter Werner Mühl (SPD) wissen, warum.

taz: Herr Mühl, was haben Sie denn plötzlich gegen die Junkies?

Werner Mühl: Wir haben gar nichts gegen die Junkies. Das ist mißverstanden worden. Wir haben im September eine Voranfrage wegen einer Nutzungsänderung im Beirat und im Ausschuß behandelt. Damals haben sich Beirat und Ausschuß damit einverstanden erklärt, daß in dieser Villa eine Wohneinrichtung für „cleane“ ehemalige Drogenabhängige eingerichtet wird. Wir wollten allerdings – schließlich war das ja nur eine Bauvoranfrage – noch im Genehmigungsverfahren gehört werden. Und das ist nicht geschehen.

Aber wenn Sie ohnehin mit dem Projekt einverstanden sind, warum ist es denn so wichtig, gehört zu werden?

Um das Konzept kennenzulernen.

Sie kennen das Konzept doch schon: In der Villa sollen Drogenabhängige therapiert werden, die schon einen klinischen Entzug hinter sich haben. Die ersten drei Monate bleiben sie im Haus. Danach sollen sie wieder zur Schule oder zur Arbeit gehen. Alkohol und Drogen sind im Haus verboten.

Ja, das ist richtig. Wir kennen dieses Konzept auch schon von einem anderen Projekt, das in Schwachhausen an der Carl-Schurz-Straße seit Jahren unstrittig betrieben wird. Dieses Projekt haben wir auch von Anfang an befürwortet und gesagt, das es eine tolle Sache ist.

Wir müssen diesen Leuten helfen, wieder ein normales Leben zu führen. Dieses Projekt läuft wunderbar, und wir erwarten, daß das neue Projekt auch so läuft. Wir kannten allerdings den Träger nicht. In der Voranfrage war nur eine völlig unbekannte Antragsstellerin genannt. Deshalb haben wir gesagt, wir müssen uns mit dem Konzept noch beschäftigen. Grundsätzlich stehen wir der Sache aber positiv gegenüber.

Und wenn Ihnen das Konzept doch nicht passen sollte, ziehen Sie Ihr Einverständnis zurück?

Nein, darum geht es nicht. Wir haben ja in der Voranfrage schon zugestimmt. Damit hat STEPS sogar einen Rechtsanspruch, eine Genehmigung zu bekommen. Aber es wäre aus einem anderen Grund gut gewesen, uns einzubeziehen: Wir hätten die unmittelbaren Nachbarn ansprechen und vorbereiten können. Es ist enorm wichtig, die Anwohner zu überzeugen. So sind die Nachbarn aufgeschreckt worden, als am vergangenen Mittwoch plötzlich circa 30 Betten auf der Straße standen und in die Villa getragen wurden. Auf diese Weise haben sie erst davon erfahren. Das ist natürlich nicht gut, und darüber ärgern wir uns.

Haben Sie zwischenzeitlich mit den Nachbarn gesprochen?

Ja, ich war am Freitag mittag vor Ort.

Und was sagen die Anwohner?

Die haben Angst, daß die Ex-Junkies über den Zaun klettern und einbrechen. Aber man sieht ja am Beispiel der Einrichtung in der Carl-Schurz-Straße, daß das nicht stimmt. Wir wollen versuchen, die Nachbarn mit solchen Argumenten von dem Projekt zu überzeugen. Es kann nämlich nicht angehen, daß die Anwohner solche überzogene Forderungen stellen, daß sie aufgrund ihrer bevorzugten Wohnlage derartige Einrichtungen grundsätzlich nicht akzeptieren wollen. Da macht der Beirat nicht mit – und zwar quer durch alle Parteien.

Fragen Kerstin Schneider

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