Nachgefragt: An der Spitze
■ Arbeitsstaatsrat Arnold Knigge über die bremische Arbeitsmarktpolitik
Heftige Kritik gab es gestern an der bremischen Arbeitsmarktpolitik. Der AfB-Bürgerschaftsabgeordnete Rolf Reimers hat dem Arbeitsressort vorgeworfen, es würde mit „veralteten und unwirksamen Mitteln“ arbeiten. Die ABM-Projekte seien zu groß, die Arbeitslosen würden nicht genügend in den ersten Arbeitsmarkt überführt werden und Frauen würden sowieso benachteiligt. Wir fragten nach beim Staatsrat im Arbeitsressort, Arnold Knigge.
taz: Rolf Reimers hat mit großem Kaliber geschossen. Was sagen Sie denn, Sie, der mit veralteten und unwirksamen Mitteln arbeitet?
Arnold Knigge, Staatsrat im Arbeitsressort: Herr Reimers ist ja nun Mitglied der Deputation. Eigentlich hätte er mitbekommen müssen, daß wir seit März mit dem beschäftigungspolitischen Aktionsprogramm (BAP) einen sehr modernen Ansatz in der Arbeitsmarktpolitik fahren. Wir haben alle Instrumente und Mittel zusammengefaßt zu einem Budget, wir versuchen die betroffenen Personenkreise in den Vordergrund zu stellen. Insofern ist das genau das Gegenteil von dem, was behauptet wird. Ich behaupte, mit dem Ansatz des BAP liegen wir an der Spitze der arbeitsmarktpolitischen Bewegung.
Nun kritisiert Reimers ja vor allem die Größe von Projekten: Zu viele große Träger, anstatt viele kleine Projekte zu machen, die sehr betriebsnah ausbilden. Was sagen Sie dazu?
Er sagt – und das wird auch in dem Antrag ausgeführt, den die AfB jetzt eingereicht hat – daß ein breiteres Projektspektrum notwendig sei, und die AfB für eine deutlichere Differenzierung zwischen – so heißt es hier – „erwerbsorientierten Maßnahmen einerseits und sozialpädagogisch orientierten Maßnahmen andererseits“ sei. Das scheint mir auch ein gefährliches Stichwort zu sein. Ich möchte keine Arbeitslosen ausgrenzen und sie herausnehmen aus dem Anspruch, sie wieder an den ersten Arbeitsmarkt heranzuführen. Sind nicht viele Träger mit diesen sozialpolitischen Aufgaben ziemlich überfordert?
Wir haben ja Wert darauf gelegt, daß auch die sozialpädagogische Begleitung von den Trägern organisiert wird. Wir mußten allerdings mit der ABM-Studie, die wir Anfang dieses Jahres vorgelegt haben, erkennen, daß die sozialpädagogische Betreuung noch zu wünschen übrig läßt. Hier müßte man sicher noch mehr tun, auch in Richtung fachliche Begleitung, fachliche Qualifizierung, Anleitung.
Auf diese Studie bezieht sich Reimers ja auch. Er sagt, daraus sei nichts gefolgt.
Die Studie kommt ja zu diesem Ergebnis, daß der Anteil der Frauen angehoben werden muß, das haben wir aufgenommen. Zusammen mit der Gleichstellungsstelle haben wir einen ABM-Antrag auf den Weg gebracht, der ist inzwischen auch beschlossen. Künftig wird es eine Mitarbeiterin geben, die sich gezielt darum kümmert, auch neue Projekte für Frauen mitzuentwickeln. Wir haben ja leider die Entwicklung, daß die ABM-Beschäftigung im sozialen und im pflegerischen Bereich auch infolge der Pflegeversicherung und anderer Vorschriften ein bißchen zurückgegangen ist, so daß der Anteil im gewerblichen Bereich deutlich zugenommen hat.
Und das heißt nach der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in der Gesellschaft, daß Frauen rausfliegen.
Ja. Eine generelle Entwicklung. Wir sind uns dessen bewußt. Zur Zeit liegt der Frauenanteil bei ABM bei 33 Prozent, gegenüber einem Arbeitslosenanteil von 38,9 im Land Bremen.
Mit anderen Worten: Die Kritik trifft Sie nicht so hart, wie Remders sie formuliert hat.
Nein. Wenn, dann muß man über die Arbeitsmarktpolitik insgesamt sprechen. Man kann jetzt nicht nur das Problem, das wir bei ABM in der Tat haben, als Maßstab nehmen, sondern dann muß man sich auch die übrigen Bereiche der Arbeitsmarktpolitik genau ansehen. Aber wir wollen das keineswegs abwehren, wir sind uns bewußt, daß wir da noch mehr tun müssen. Fragen: Jochen Grabler
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