Nachgefragt: Die Intelligenz ist doch weiblich
■ Bringen Gen-Studien den Beweis?
Herzklopfen beim ersten Rendezvous: Sie schaut ihn schüchtern an, er greift ihre zitternde Hand und kommt ihrem Kopf beängstigend nah. Plötzlich überkommt es ihn: „Warst du eigentlich gut in der Schule?“ So könnte Partnersuche aussehen, wenn Vernunft vor Liebe waltet. Denn für die Vererbung der Intelligenz auf die Nachkommen sind ausschließlich Frauen verantwortlich, meint zumindest die australische Genetikerin Gillian Turner. Bereits vor über 20 Jahren gab es erste Vermutungen über das Intelligenz-Potential des weiblichen X-Chromosoms. In den 70er Jahren waren dies revolutionäre Gedanken. Nun aber glaubt Gillian Turner, daß genug Studien zum Beweis vorliegen. Unumstritten ist, daß es auf dem X-Chromosom etwa 150 Gene gibt, die im Zusammenhang mit geistiger Behinderung stehen. Turners Fazit, dieses Erbmaterial enthalte auch den Schlüssel zur Intelligenz, ist unter deutschen Experten umstritten.
Ulrike Hauffe, Bremer Gleichstellungsbeauftragte, würde sich „zumindest freuen, wenn es so wäre“. Überzeugend findet sie Turners Theorie aber nicht. Sie hält ihr „Kuchenmodell“ dagegen. Demnach wird jeder Mensch mit einem gleich großen Reservoir an Fähigkeiten, dem Kuchen, geboren. Was gegessen wird, hängt laut Hauffe von seinem sozialen Umfeld ab. Nicht von den Erbanlagen.
Auch Jörg Ehrenforth, langjähriger Mitarbeiter im Bremer Männerbüro kann sich für die Theorie nicht recht erwärmen. Er hält die These, Intelligenz werde nur durch Frauen vererbt für „überraschend intelligent“, aber nicht für neu. „Derartige Statements wandern immer mal durch die Presse“, weiß er. Ihn bewegen ganz andere Fragen: Ist Intelligenz überhaupt meßbar ? Stellt die Erfindung der Glühbirne bereits eine Intelligenzleistung dar oder handelt es sich lediglich um ein Zufallsprodukt? Was ist überhaupt Weisheit? Nur Erfahrung oder auch Intelligenz? Skeptisch ist Professor Jörg Schmidtke, Leiter der Abteilung Humangenetik in der Medizinischen Hochschule in Hannover. „Bei solchen Umkehrschlüssen muß man in der Genetik äußerst vorsichtig sein“, meint er. „Wenn ein Gen eine schwere Form von geistiger Behinderung auslöst, dann bedeutet das nicht automatisch, daß es auch normale Intelligenz hervorruft.“ Er erläutert das mit dem bei Mäusen entdeckten Fettsucht-Gen. „Zwar ist dieses Gen für extreme Fettleibigkeit von Mäusen verantwortlich. Doch bestätigt bisher keine Studie, daß es auch das normale Körpergewicht bestimmt.“
So wissenschaftlich beurteilt das Ulrike Bittner-Wolff nicht. „Endlich liefert die Medizin einmal einen Grund dafür, daß Frauen biologische Vorteile aufweisen“, freut sich die komissarische Leiterin des Frauenbüros in Hannover. „Lange wurde doch in der Wissenschaft geglaubt, Frauen hätten ein kleineres Gehirn und wären dümmer“
Verblüfft ist Karin Renneberg vom gen-Ethischen Netzwerk Berlin, das der gesamten Gentechnik skeptisch gegenüber steht. „Im Bereich der Verhaltensgenetik tut sich offensichtlich allerhand. Erst ein Kriminalitätsgen, dann ein Homo-Gen und jetzt sollen ausschließlich Frauen Intelligenz vererben.“ Wie auch immer. Auf jeden Fall gibt es romantischere Methoden der Annäherung als ausgerechnet den IQ-Test“, findet nicht nur Professor Schmidtke. dpa/taz
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