Nachbarn klagen erfolgreich: Kita wegen Lärm verboten

Nachbarn beklagen sich über den Lärm einer Kita und erreichen beim Hamburger Oberverwaltungsgericht ein Verbot des "Störungspotenzials". Trotz U-Bahn, Hauptstraße und Fluglärm.

Kinder an der frischen Luft: eine "unzumutbare Lärmquelle". Bild: dpa

Hamburg taz Die Kita in Hamburg-Othmarschen hätte an diesem Dienstag eigentlich geschlossen bleiben müssen. Trotzdem ist hier alles voller Kinder: Ein paar ziehen sich ihre Jacken aus, andere betrachten Malbücher, die Erzieherinnen beantworten Reportern Fragen.

Dabei hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht entschieden, dass die Villa in dem Wohngebiet zumindest vorläufig nicht als Kindergarten genutzt werden darf: Die Kita sei zu groß, deshalb zu laut und den klagenden Nachbarn nicht zuzumuten.

Leila Moysich von der betroffenen Kita-Betreiberin Sterni-Park sagte, die Entscheidung konterkariere die Bemühungen um eine kinderfreundliche Gesellschaft, die die Politik immer wieder einfordere. Der Verein wies darauf hin, dass das Kita-Grundstück in der Einflugschneise des Airbus-Werksflughafens in Hamburg-Othmarschen liegt: Bis zu 35 Airbus-Maschinen dürfen hier täglich über die Köpfe der Anwohner brausen.

Eine drei Meter hohe Lärmschutzwand für die Kita, wie sie die Nachbarn zeitweilig gefordert hatten, sei unter solchen Umständen absurd. Das Grundstück liegt überdies an einer vierspurigen Straße. Hundert Meter entfernt rattert die S-Bahn vorbei.

Das Thema ist brisant, weil landauf, landab der Geburtenrückgang beklagt wird. Die Bundesregierung will künftig einen Rechtsanspruch auf Krippenplätze für ein- und zweijährige Kleinkinder. Bis 2013 müssen allein in Hamburg 6.000 neue Kitaplätze geschaffen werden.

In seinem Beschluss vom 15. Oktober argumentierte das Oberverwaltungsgericht, die Kita sei nicht mit dem Planrecht des umgebenden Viertels vereinbar. Das Grundstück der klagenden Nachbarn liege in einem besonders geschützten Wohngebiet. Nach der Baunutzungsverordnung in der Fassung von 1990 seien Kindertageseinrichtungen in reinen Wohngebieten "nicht zulässig und können allenfalls im Wege einer Befreiung im Einzelfall zugelassen werden"

Mit Platz für 60 Kinder sei die Kita für das locker bebaute Wohnviertel zu groß, da "typischerweise ein Zusammenhang zwischen der Größe der Einrichtung und ihrem Störungspotenzial" bestehe. Das Bezirksamt Altona, das den Kindergarten in dieser Größe genehmigt hatte, wollte am Dienstag mit dem Betreiber über eine Verkleinerung verhandeln.

Kinder eine "unzumutbare Lärmquelle"

Der Richterspruch fügt sich ein in eine Reihe ähnlicher Urteile, die in jüngster Zeit für Aufsehen gesorgt haben. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz entschied im vergangenen Jahr, dass spielende Kinder im Wendehammer eines reinen Wohngebiets eine "unzumutbare Lärmquelle" seien.

Schon 2005 verbot ein Gericht der Kita "Marienkäfer" in Hamburg auf Betreiben der Nachbarn den Betrieb. Als sie sich schließlich anderswo etablierte, musste sie die empfindlichen Nachbarn mit einer 60 Meter langen Lärmschutzwand besänftigen.

Nach öffentlicher Empörung quer durch alle politischen Lager, versuchte in der vergangenen Legislaturperiode die damals alleinregierende CDU, dem Problem mit einer Ergänzung des Sozialgesetzbuches beizukommen. Demnach sind "Beeinträchtigungen durch Kinderlärm hinzunehmen". Der Vorstoß darf nach der jüngsten Entscheidung als gescheitert gelten.

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion sprach deshalb von Versäumnissen des Senats. "Seit drei Jahren ist ein Problem bekannt, und seit drei Jahren schieben die Verantwortlichen eine Lösung vor sich her", sagte die Bürgerschaftsabgeordnete Carola Veit.

Sie regte an, auf Bundesebene die Baunutzungsverordnung zu ändern. Die mittlerweile grün geführte Umweltbehörde will im ersten Halbjahr 2009 eine neue Hamburger Verordnung vorlegen.

Die Deutsche Kinderhilfe kritisierte das Urteil: "Wieder einmal hat ein deutsches Gericht eindrucksvoll bewiesen, wie kinderfeindlich unsere Justiz und damit unsere Gesellschaft sind."

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