■ Nach der Reform: Arm, alt, krank und pflegebedürftig? Besser nicht : Kein Geld für Arztbesuche
betr.: Gesundheitsreform und Obdachlose
Dem Tenor verschiedener Presse-Veröffentlichungen am 2. und 3. Januar, die neuen Regelungen der Gesundheitsreform seien „problemlos“ angelaufen, muss aus Sicht unserer Praxis für Obdachlose in der Abtei St. Bonifaz entschieden widersprochen werden. Statt der angeblichen 20 bis 30 Patienten kamen nur 10. Von diesen 10 Patienten hat einer die Praxisgebühr entrichtet! Obwohl wir selbstverständlich auch die Patienten behandeln, die (noch) nicht gezahlt haben, ist die Folge, wie zu erwarten, dass unsere Patienten nicht mehr zu ihrer Ärztin gehen, da sie keine 10 Euro besitzen. Gerade die ärmsten Patienten sind aber oft sehr krank, und eine Behandlung in einem späteren Stadium, wenn es gar nicht mehr anders geht, ist mit Sicherheit teurer, da sie oft ambulant nicht mehr zu leisten ist.
Dazu kommen noch die Medikamenten-Zuzahlungen, von welchen unsere Patienten bisher befreit waren, und die Notwendigkeit, nicht verschreibungspflichtige Medikamente selbst zu kaufen. Es ist zu berichten, dass sie die verschriebenen Medikamente nicht in der Apotheke holen und nur die Medikamente nehmen, die wir ihnen aus Spenden schenken können. Hier werden wir bald an unsere Grenzen stoßen!
Das Sammeln und Addieren von Quittungen ist für Patienten auf der Straße ebenfalls extrem schwierig. Es ist ein Skandal, dass bei der Verabschiedung dieses Gesetzes die Gruppe der sehr armen und obdachlosen Patienten vergessen wurde! Es muss für diesen Patientenkreis, nicht nur für unsere Praxis, eine Sonderregelung geben, damit nicht das Gegenteil von dem erreicht wird, was das Gesetz vorsah! Es kann doch nicht sein, dass das Gesetz bewirkt, dass die Armen noch kränker werden. Ein niederschwelliges Angebot, wie es eine Obdachlosen-Praxis sein muss, wird mit diesen Hürden ad absurdum geführt. FRATER EMMANUEL ROTTER, Prior, IRENE FREY-MANN, Ärztin für Allgemeinmedizin, München