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Nach dem WachstumsgesetzSchäuble will sparen

Finanzminister Wolfgang Schäuble hat wohl gewartet, bis das Wachstumsbeschleunigungsgesetz beschlossen war. Jetzt kündigt er an, zehn Milliarden Euro jährlich zu kürzen.

Unter Experten gelten die Ausgabenkürzungen als absolut unrealistisch. Bild: reuters

BERLIN taz | Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat seine Ankündigung erneuert, bis Mitte nächsten Jahres konkrete Sparpläne für den Bundeshaushalt vorzulegen. "Wir müssen das strukturelle Defizit ab 2011 um rund 10 Milliarden Euro pro Jahr verringern", sagte er der Zeitung Bild. "Bis Juli werden wir ein entsprechendes Paket schnüren."

Die Zahl, die Schäuble bereits mehrfach genannt hat, ergibt sich aus den Vorgaben des europäischen Stabilitätspakts und der deutschen Schuldenbremse. Nach den Brüsseler Regeln muss die Kreditaufnahme aller öffentlichen Haushalte in Deutschland bis 2013 wieder unter die Marke von 3,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sinken. Das Grundgesetz sieht für den Bund alleine von 2016 an eine Grenze von 0,35 Prozent vor. Das wären 10 Milliarden Euro. Im kommenden Jahr plant Schäuble eine Neuverschuldung von 100 Milliarden Euro.

Zu Einzelheiten seiner Sparpläne wollte sich Schäuble nicht äußern. Unter Experten gelten Ausgabenkürzungen von insgesamt 60 Milliarden Euro in den nächsten sechs Jahren als kaum realisierbar. Sie raten deshalb dringend von den Plänen aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP ab, in dieser Lage auch noch weitere Steuersenkungen in Höhe von 20 Milliarden Euro zu beschließen. Ein erster Entlastungsschritt von 8,5 Milliarden Euro tritt bereits zum 1. Januar in Kraft.

Erst vor zwei Wochen hatte Rechnungshofpräsident Dieter Engels das mögliche Sparvolumen innerhalb der nächsten fünf Jahre auf lediglich 21 Milliarden Euro beziffert. Die Liste setzt sich aus kleineren Positionen zusammen, die vielfach Fragen der Verwaltungsvereinfachung betreffen. Weil die meisten Ausgaben gesetzlich festgelegt seien, könne der Bundeshaushalt "nicht kurzfristig durch Kürzungen saniert werden".

Vorhandene Kürzungsvorschläge haben sich bislang als schwer durchsetzbar erwiesen. Von der Streichliste der damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) aus dem Jahr 2003 sind die meisten Punkte abgearbeitet, die Kürzung der Pendlerpauschale wurde inzwischen allerdings zurückgenommen. Nicht realisiert wurde hingegen der Vorschlag, sämtliche Subventionen um 4 Prozent zu kürzen.

Wenig Aussicht auf Erfolg haben auch die Sparvorschläge des Bundes der Steuerzahler, der etwa die Erhöhung des Elterngelds rückgängig machen sowie bei Klimaprogrammen und Entwicklungshilfe kürzen will. Auch der gute alte Eurofighter, schon in den Neunzigern für jede Debatte um staatliche Kürzungspläne gut, erlebt hier ein Comeback. Selbst mit ihren drastischen Vorschlägen kommen die Steuerrebellen aber nur auf ein Sparvolumen von 24 Milliarden.

Im kommenden Jahr wird die Bundesrepublik erstmals in ihrer Geschichte weniger Geld an Steuern einnehmen, als sie für Zinszahlungen und Sozialleistungen ausgibt. In den Sozialetats gelten Kürzungen aber als schwierig, weil die Renten ohnehin nicht steigen und die Hartz-IV-Sätze nur das Existenzminimum abdecken. Allenfalls die Zuschüsse zur Krankenversicherung könnte die Regierung theoretisch durch die Privatisierung weiterer Leistungen senken.

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2 Kommentare

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  • K
    KarlderKleine

    @DR.Wenk,

     

    ich möchte Ihnen in vielen Punkten zustimmen.

    Die Möglichkeiten des Staates sind gewaltig.-nur, werden diese nur fahrlässig ins Gegenteil verkehrt.

     

    Man traut sich nicht an den großen Wurf....sondern wurschtelt ängstlich und mit 2 riesigen Scheuklappen weiter.

     

    Frage..: Warum ging esin den 60ziger Jahren eigentlich wirtschaftlich so gut voran in Deutschland?

     

    Antwort: ..weil die Löhne kontinuierlich nach oben gingen, weil das Lohngefälle nicht zu hoch war,

    weil es lohnte zu arbeiten, weil die Menschen aus dem Krieg gelernt hatten.

    Weil man Bescheidener war, weil man nicht verhungern wollte.

    Weil man den Krieg vergessen wollte, - weil es noch eine Unternehmerehre gab. Weil es noch ein soziales GEwissen gab.

    Weil man die Menschen "mitnehmen" wollte in eine bessere Welt.

     

     

    Und heute..: natürlich gibt es auch heute noch viele "Gutmenschen".., ..nur, irgendwie ist zwar Zusammengebrochen im Ländl..oder nicht?

  • DH
    Dr. Harald Wenk

    Da hat man nach 20 Jahren Neoliberalismus die Haushaltsdebatte und Praxis da, wo man sie immer haben wollte: Sozialleistungen und Staatsverschuldung, insbsondere die Zinsen, sind zu hoch: "über die Verhältnisse" heisst es dann.

    Anstatt Staatsschulden ohne Zinsen mit staatseigenen Instituten zu regeln privatisiert man volkswirtschaftlich die Rationalisierungsgewinne, indem man die durch Produktivitätssteigerungen freiwerdenden Arbeitsplätze auf die Sozialleistungen aufschlägt und diese chronisch unterfinanziert. Statt auf dem Finanzmarkt mit den riesigen Staatsgeldern irgendwelche Gewinne zu erzielen, macht man da auch noch mit den Landesbanken "merkwürdigerweise" extreme Verluste.

    Die finanzielle Macht des so geschaffenen Faktischen, engt den Handlungsspielraum so ein, dass eventuelle linke Regierungen gelähmt und paralysiert werden.

    Das dieses ebenso üble wie recht durchsichtige Spiel in den westlichen Massendemokratien

    öffentlich tagtäglich durchziehbar ist, lässt Kulturkritik immer tiefer graben.