piwik no script img

Archiv-Artikel

Nach dem Klischee

Weil sie bereits frühzeitig dem deutschen Phantasma vom „türkischen HipHop“ zu entkommen suchte, kann sie auch gelassen bleiben, wenn in Almanya der Rapmarkt kollabiert : Aziza A gastiert mit ihrem modernen Oriental in der Fabrik

von ALEXANDER DIEHL

Als hierzulande um die Mitte des vergangenen Jahrzehnts herum von verschiedenen Richtungen aus das Phänomen „Oriental HipHop“ ausgemacht wurde, fehlte ihr Name in keiner Aufzählung der Aktiven jenes Mikrogenres. Zumeist in einem Atemzug mit seinen Pionieren (Islamic Force) und ganz Großen (Cartel) genannt, kam die zeitweilige ZDF-Jugendformat-Moderatorin Aziza A in den Augen deutscher Feuilletonisten die nicht unzweifelhafte Rolle der selbstbewusst weiblichen Ausnahme zu – und somit die Bestätigung der unterstellten Regel, dass in erster Linie Männer, Machos gar, tonangebend sein müssten.

„Damals passte sie perfekt ins Klischee der aufmüpfigen Rapperin“, hieß es Anfang dieses Jahres rückblickend in der taz-Rezension zu Kendi Dünyam, dem zweiten Album von Aziza A, „die sich tapfer gegen die türkische Tradition stemmt.“ Als eine Art Update der klassisch kessen Berliner Göre wahrgenommen, schien die 1971 in Berlin geborene „mächtige Schwester“, so die Übersetzung ihres Künstlerinnennamens, sowohl den starren Traditionen ihrer „türkischen Abstammung“ Paroli zu bieten wie auch dem Machismo der sie umgebenden latent nationalistischen Nachwuchs-MCs. Der Emma reichte solche Positionierung für ein Titelthema, andere erkannten in Azizas Treiben eher eine „sozialdemokratische Variante“ des Rap der 2. oder 3. Migranten-Generation.

Wie bedeutsam diese Anfänge für das bundesdeutsche HipHop-Geschehen überhaupt waren, darauf ist wiederholt hingewiesen worden, zuletzt von Hannes Loh und Murat Güngör, selbst früher Protagonist des „TürkHop“, im Buch Fear of a Kanak Planet. Die (mediale) Aufmerksamkeit, die der vermeintlich orientalisch gefärbten HipHop-Spielart seinerzeit entgegengebracht wurde, war freilich von kurzem Atem, und es folgte eine lange Zeit des ideologisch inspirierten Auseinanderklamüserns: in die umrissenen, vermeintlich oder tatsächlich „ausländisch“ dominierten Bereiche einerseits, in zunehmend mittelklassegeprägten „Deutschrap“ andererseits. Erst seit kurzem gelingt ja einer ehemals reichlich kontroversen Figur wie Kool Savas ganz beiläufig der Brückenschlag: Wahrgenommen wird der nämlich allenfalls als bekennender Kreuzberger.

Geschäftsmäßig suchte Aziza A ihr Glück derweil im Land, in das ihre Eltern irgendwann zurückgingen und dessen Musik sie wohl hauptsächlich aus dem Urlaub kennt. Das erwähnte zweite Album erschien in der Türkei deutlich früher als in Almanya, und dort wird ihr Sound als international ausgerichteter, clubtauglicher Pop rezipiert. Wofür nicht abträglich sein mag, dass Aziza auf Türkisch reimt und singt – jedenfalls dürfte sie halbwegs gelassen bleiben angesichts des darbenden deutschsprachigen Rapmarkts.

HipHop spielt dabei immer noch eine Rolle auf Kendi Dün–yam, aber eben nur noch als eine von vielen Geschmacksrichtungen. Dazu kommen Soul und Breakbeats und Jazz und was Aziza A, die schon immer ein gutes Stück Energie darauf verwendete, nicht den „Klischees deutscher Rapperinnen“ zu entsprechen, ganz zutreffend noch so alles unter ihren Begriff von „schwarzer Musik“ subsumiert – und das ist deutlich mehr als bei vielen ihrer einstigen Wegbegleiter oder Konkurrenten.

Donnerstag, 21 Uhr, Fabrik