Nach dem Klima-Pop : KOMMENTAR VON STEPHAN KOSCH
Sigmar Gabriel hat überrascht. Der Klimaschutzplan, den der Bundesumweltminister gestern vorstellte, ist ambitionierter als erwartet. Kein seichter Klima-Pop, sondern klare Ansagen: Der Anteil der erneuerbaren Energien soll bis 2020 auf über 27 Prozent ausgebaut werden, im Januar lag die Zielmarke noch bei 20 Prozent. Die Energieeffizienz von Gebäuden soll in zwei Schritten um 60 Prozent verbessert werden, der Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung wird verdoppelt.
Weil ein machtbewusster Politiker wie Gabriel auch im nächsten Jahrzehnt noch ein politisches Schwergewicht sein will, sind solch konkrete Zielmarken mutig. Denn wird die Messlatte gerissen, gerät er in Erklärungsnot. Allerdings: Gerade weil er sich politisch weiter profilieren will, tut er gut daran, sich als Klimakämpfer zu positionieren. Denn die Auswirkungen der Erderwärmung bleiben auf der politischen Agenda. Sowohl national, weil den Brandenburger Bauern die Ernte verdörrt, als auch international, wenn sich die Welt in wenigen Jahren um Millionen Klimaflüchtlinge kümmern muss. Wirtschaftliche Chancen bietet der Klimawandel sowieso. Das hat Gabriel begriffen. Deshalb kuschelt er mit Knut im Berliner Zoo und ruft im Bundestag zum grundlegenden Umbau der Industriegesellschaft auf.
Dummerweise muss er aber zurzeit hinnehmen, dass nicht er, sondern Bundeskanzlerin Angela Merkel als Umweltengel wahrgenommen wird. Deshalb muss Gabriel in die Offensive und im Bundeskabinett wieder die Rolle des Klimaschützers übernehmen, der seine Kollegen im Wirtschafts- und Finanzressort nervt. Die gestrigen Ankündigungen des Ministers sprechen dafür, dass er diese Herausforderung annimmt. Dass er aber darauf verzichtete, konkrete Maßnahmen zur Erreichung der Ziele zu nennen, zeigt, wie groß der Widerstand sein wird, dem er sich gegenübersieht.
Zum Beispiel die Kohlelobby: Mit ihr wird sich Gabriel anlegen müssen. Sie sieht ihr Heil noch in CO2-freien-Kraftwerken. Das ist riskant, denn es ist offen, ob diese Technik wirklich funktioniert. Ein wahrer Klimakämpfer muss deshalb Distanz zu den Plänen der Energie-Fossile halten. Gestern war Gabriel dazu noch nicht bereit.