Nach dem Etzeler Ölunfall: Ein Minister zieht Konsequenzen
Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Nies (SPD) entmachtet nach dem Etzeler Öl-Unfall das bislang für die Kontrolle zuständige Landesamt für Bergbau und verspricht „rückhaltlose Aufklärung.
HAMBURG taz | Die Kontrolle wird zur Chefsache: Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) hat bei einem Ortstermin in Etzel im Landkreis Wittmund am Sonnabend angekündigt, das Krisenmanagement des Öl-Unfalls direkt in sein Ministerium zu verlegen. Alle 59 Gaskavernen sowie alle 92 unterirdischen Öl-Lagerstätten in Niedersachsen werde das Wirtschaftsministerium überprüfen. Lies wörtlich: „Ich sehe es als meine Aufgabe an, Vertrauen zurückzugewinnen.“
Damit entzieht Lies dem bislang zuständigen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) die Kontrolle – eine erste Konsequenz aus dem Vorfall in Etzel. Am vergangenen Wochenende war dort zu einem verheerenden Öl-Unfall gekommen, bei dem sich etwa 40.000 Liter Öl in den Wassergräben des Friedeburger Tiefs verteilten.
Lies reagiert mit seiner Ankündigung auf die öffentliche Kritik an der LBEG. Die örtliche „Bürgerinitiative Lebensqualität“ hatte am Freitag moniert, das Landesamt habe dem Betreiber IVG Caverns eine Anlage genehmigt, die nicht den geltenden Sicherheitsanforderungen genüge. Die Behörde könne nicht die Ermittlungen zu dem Unfall führen, da sie gegen sich selbst ermitteln müsse, wenn ein eigenes Verschulden möglich sei.
In der Kavernenanlage in Etzel lagern nach Informationen des Betreibers etwa zehn Millionen Kubikmeter Erdöl.
Der schwere Öl-Unfall auf dem Kavernengelände der IVG Caverns in Etzel hat am Sonntag vor einer Woche einen Großeinsatz von Rettungskräften aus dem Landkreis ausgelöst.
Nur durch einen Zufall war der Öl-Unfall entdeckt worden. Ein Radfahrer hatte am Sonntag die Verschmutzungen gemeldet.
Durch eine offene Armatur lief das Öl nach aktuellem Ermittlungsstand aus, ohne dass das hauseigene Warnsystem ausgelöst wurde.
Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeld warf dem LBEG eine zu große Nähe zur Industrie vor. „Die Vermischung von Genehmigung und Fachaufsicht ist in jedem Fall kritisch“, sagte der Politiker im Weser-Kurier. „Ich hätte gedacht, nach dem Regierungswechsel würde sich am politischen Umgang mit dem LBEG etwas ändern, aber SPD und Grüne verhalten sich nicht anders als vorher CDU und FDP“, übte sich Mattfeld in einer Mischung aus Regierungsschelte und Kritik an seiner eigenen Partei.
Lies sagte unterdessen, der IVG Caverns werde nun der Einbau von wirklich funktionstauglichen Überwachungssystemen zum sofortigen Erkennen von Ölaustritten vorgeschrieben. Er könne nicht verstehen, dass das Leck so lange unentdeckt blieb und sei schockiert gewesen, dass lediglich ein einfacher Maschendrahtzaun das Absperrventil gesichert habe. Hier müsse es eine „rückhaltlose Aufklärung“ geben. Die Staatsanwaltschaft Aurich werde diesen schweren Sicherheitspannen nachgehen.
Die aber wird noch mehr zu tun bekommen. Die Bürgerinitiative Lebensqualität hat nach eigenen Angaben Strafanzeigen gegen den Betreiber und die LBEG gestellt. Es gehe um den Verdacht der Umweltverschmutzung und Gewässerverunreinigung sowie um die Verletzung der Aufsichtspflicht, sagte Franz Kreutzburg von der Initiative.
Die Ölverschmutzung im Landkreis Wittmund ist unterdessen weitgehend unter Kontrolle, auch wenn die Aufräumarbeiten rund um das Gelände der IVG Caverns noch andauern. Das Technische Hilfswerk (THW) hat seine Mitarbeiter am Sonntag zurückbeordert. Es gebe keine unmittelbare Gefahr mehr, sagte ein Sprecher des Landkreises Friesland.
Den THW-Helfern sei es gelungen, etwa 20 Kubikmeter des giftigen Ölschlamms aus dem Wasser und von den Ufersäumen zu saugen. Außerdem habe eine Fachfirma damit begonnen, den Wasserlauf zu reinigen. Nach Auskunft des Sprechers sind nach dem Unfall insgesamt 800.000 Liter Wasser-Öl-Gemisch aufgesaugt worden. Zur Höhe des Schadens gibt es noch keine Informationen. Klar sei nur, dass die IVG Caverns für die Einsatz- und Reinigungskosten aufkommen müsse.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko