Nach Protesten in Polen: Striktes Abtreibungsverbot fällt durch
Die Massendemos haben Wirkung gezeigt. Das Parlament hat am Donnerstag trotz konservativer Mehrheit die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes abgelehnt.
Vorsichtigen Schätzungen der Polizei zufolge waren am Montag landesweit rund hunderttausend Menschen auf die Straße gegangen, um gegen ein komplettes Abtreibungsverbot zu demonstrieren. Am Tag darauf deutete sich bereits ein vorsichtiger Kurswechsel in der Regierung an, als Ministerpräsidentin Beata Szydlo betonte, der Gesetzentwurf stamme nicht von der Regierung, sondern von einer Bürgerinitiative. Ihre Regierung habe kein Gesetz zur Änderung der bestehenden Regelungen beim Thema Abtreibung in Arbeit, sagte sie vor Journalisten.
Einer ihrer Stellvertreter, Wissenschaftsminister Jaroslaw Gowin, ging noch weiter, indem er einem Regionalsender sagte, dass es kein Abtreibungsverbot geben werde, wenn die Frau Opfer einer Vergewaltigung geworden sei oder wenn ihre Gesundheit oder ihr Leben in Gefahr seien. Die Proteste am Montag „haben uns nachdenklich gemacht und uns Bescheidenheit gelehrt“, fügte er hinzu.
Die polnischen Bischöfe erklärten am Mittwoch, sie lehnten die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Gefängnisstrafe für Frauen, die eine Abtreibung vornehmen ließen, ab.
Jaroslam Gowin, Minister
Auf Initiative des Bürgerkomitees „Stoppt Abtreibung“ war vergangene Woche im Parlament ein Gesetzesentwurf für ein praktisch vollständiges Verbot von Abtreibungen eingebracht worden. Schwangerschaftsabbrüche sollen demnach künftig nur noch erlaubt sein, wenn das Leben der Schwangeren unmittelbar bedroht ist. Die Gesetzesinitiative sieht vor, dass bei einer Abtreibung sowohl die ausführenden Ärzte wie die betroffenen Frauen mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden können.
Schon jetzt ist das polnische Abtreibungsrecht so restriktiv wie fast nirgendwo sonst in Europa. Erlaubt ist Abtreibung nur bei Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren, Hinweise auf eine schwere unheilbare Erkrankung des Kindes oder bei Vergewaltigung oder Inzest.
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