Nach Anschlägen: Türkei fürchtet Krieg in den Städten
Der tödliche Anschlag in Diyarbakir wird von den türkischen Behörden der PKK zugeschrieben - und als Reaktion auf die Bombardierung im Norden Iraks gewertet.
ISTANBUL taz Nach dem verheerenden Bombenanschlag in der größten kurdisch bewohnten Stadt der Türkei, in Diyarbakir, bei dem fünf Menschen starben und 70 verletzt wurden, sind am Freitag vier Verdächtige festgenommen worden. Obwohl bis Freitag Nachmittag sich niemand zu dem Anschlag bekannt hat, gehen die Behörden davon aus, dass es sich dabei um eine Reaktion der kurdischen separatistischen PKK handelt, nachdem die türkische Armee in den letzten Dezemberwochen mehrfach Stellungen der PKK im Nordirak bombardiert hatte.
Die Bombe war am Donnerstagnachmittag im modernen Zentrum von Diyarbakir vermutlich fern gezündet worden, als ein Armeetransporter vorbeifuhr. Von den fünf Getöteten konnten bislang vier identifiziert werden. Dabei handelt es sich nicht um Soldaten, sondern um vier Schüler einer Dershane, einer Privatschule für Nachhilfeunterricht, die durch den Anschlag schwer beschädigt wurde.
In ersten Reaktionen gaben sich Staatspräsident Abdullah Gül und Ministerpräsident Tayyip Erdogan erstaunlich gelassen. "Der Terror", sagte Gül, "hat wieder sein hässliches Gesicht gezeigt". Erdogan bekräftigte, dass die Regierung sich in ihrem nationalen und internationalen Kampf gegen den Terror nicht beirren lassen werde. Für die Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Anschlag wurden der Polizei für zwei Wochen erweiterte Vollmachten eingeräumt. Erdogan kündigte an, am Samstag persönlich nach Diyarbakir zu fahren, um der Bevölkerung die Unterstützung der Regierung zuzusichern.
Der Anschlag von Diyarbakir ist der schwerwiegendste in einer ganzen Reihe von ähnlichen Vorfällen in den letzten zwei Wochen. In Istanbul detonierten zwei Bomben, bei einer Explosion wurde eine Frau getötet. Einen Anschlag in Istanbul vereitelte die Polizei als sie einen Mann festnahm, der dabei war eine Bombe am Ausgang einer U-Bahnstation zu deponieren. Auch in Izmir explodierten zwei Bomben. Außerdem wurden in Istanbul insgesamt 140 Autos in Brand gesteckt, was auf PKK nahen Web-Seiten als neue Widerstandsform begrüßt wurde. In Istanbul waren deshalb bereits Sylvesterfeiern abgesagt worden.
Türkischen Zeitungen kolportierten Meldungen, nachdem angeblich rund 800 PKK Sympathisanten im Nordirak in den vergangenen Jahren als Bombenleger für einen Kampf in den Städten ausgebildet worden sein sollen. Zwar haben sich zu den meisten Anschlägen seit 2004 nicht die PKK sondern so genannte kurdische "Freiheitsfalken" bekannt. Aufgrund des verwendeten Sprengstoffs glaubt die Polizei aber in den meisten Fällen nachweisen zu können, dass die Freiheitsfalken in einem direkten Zusammenhang mit der PKK stehen.
Die Anschläge in türkischen Städten waren bislang immer nur periodisch verübt worden, wohl auch deshalb, weil die PKK zurecht fürchtet, die Bevölkerung weiter gegen die "Kurden" aufzubringen. In der türkischen Öffentlichkeit wird jedenfalls mit Befriedigung registriert, dass zu mindestens die US-Regierung die Unterstützung der Türkei in ihrem "Anti-Terror- Kampf" ernst nimmt.
US-Präsident Bush hat wiederholt bekräftigt, dass er die Bombardierung von PKK-Camps im Nordirak für legitim hält. Die Proteste der nordirakischen Kurden hat er ignoriert. Kommenden Dienstag wird Bush seinen türkischen Amtskollegen Abdullah Gül in Washington empfangen, um eine erste Bilanz zu ziehen und die weitere Politik im Irak und gegenüber dem Iran mit der Türkei abzustimmen.
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