Nach Angriff auf Scherer8: Von Schutzgeld keine Rede
Nach Angriff einer Straßengang auf Weddinger Hausprojekt ist die linke Szene uneins, wie darauf zu reagieren ist. Die Bewohner probieren's mit Schweigen.
Das linke Weddinger Hausprojekt Scherer8, das am Wochenende angegriffen wurde, bekam schon vor zwei Jahren unliebsamen Besuch. Fenster wurden eingeworfen, Neonazis postierten sich mit einem Transparent vor dem Haus. Die Antifa reagierte routiniert: Sie machte die Vorfälle öffentlich, outete die Kameradschaft "Freie Nationalisten Mitte" als Urheber und appellierte, den "Nazis auf die Pelle zu rücken".
Diesmal liegen die Dinge komplizierter. In der Nacht zu Samstag zogen laut Polizei rund 30 Personen mit Baseballschlägern vor dem Haus auf und zertrümmerten drei Scheiben. In der darauf folgenden Nacht wurden ein 21- und ein 24-jähriger Musiker vor dem Haus verprügelt. Die Täter sollen Mitglieder der Gang "Streetfighters" sein - zumeist junge, kurdischstämmige Weddinger. Die linke Szene rätselt nun, wie zu reagieren sei.
Vor dem Haus winkt eine junge Frau ab. "Dazu können wir jetzt nichts sagen." Am Gebäude sind Spuren des Angriffs noch sichtbar. Auch andere Bewohner schweigen. In einer Mitteilung kündigen sie "mehr Informationen in den nächsten Tagen" an.
Nach den Vorfällen war im Internet kurzzeitig eine Meldung zu lesen, in der von einer "enormen Schutzgeldforderung" der Gang die Rede war. Die Autoren: "einige aus der Scherer8". Das Hauskollektiv warnt dagegen vor "Falschmeldungen". Auch die Polizei hängt den Fall tiefer: Die LKA-Abteilung für Organisierte Kriminalität hat die Ermittlungen an die Polizeidirektion Mitte abgegeben. Schutzgeldforderungen seien nicht bekannt.
Die möglichen Gegner der Scherer8 sind direkt auf der anderen Straßenseite zu finden: In einem Flachbau haben die "Streetfighters" ihren Vereinsraum. Laut Polizei sollen sich die Angreifer vom Samstagmorgen dorthin zurückgezogen haben. Die rund 20-köpfige Gang soll seit Mitte 2011 existieren. Die Mitglieder, zumeist gebürtige Kurden, seien fast alle durch Gewaltdelikte aufgefallen, heißt es.
Die Scherer8-Bewohner rufen Unterstützer auf, keine "Konfrontation" zu suchen: "Wir werden um Unterstützung bitten, wenn wir wissen, wie ihr uns helfen könnt." In einem Internetportal wird das als "lauwarme" Reaktion kritisiert. "Idioten sind Idioten, egal woher ihre (Groß-)Eltern kommen." Ein anderer Nutzer warnt vor einem "rechtspopulistischen Diskussionsniveau".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr