NS-Vergangenheit: Schmitz kämmt SS-Schwarzkopf glatt
Kurz vor der Verleihung des Heinz-Galinski-Preises an André Schmitz versucht Berlins Kulturstaatssekretär, die Nazi-Karriere seines Adoptivvaters, des SS-Manns Heinz Schwarzkopf, zu erklären.
Wenn Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz am Dienstag den Heinz-Galinski-Preis erhält, wird ein Schatten auf den Geehrten und den Preis fallen. Denn die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung der Heinz-Galinski-Stiftung der Jüdischen Gemeinde der Hauptstadt wird durch den Namen eines Mannes besudelt, der nicht nur Mitglied von NSDAP und SA, sondern sogar der SS war: Heinz Schwarzkopf, dessen Adoptivsohn Schmitz am Ende dafür verantwortlich ist, dass die Nazi-Vergangenheit seines Vaters in der Öffentlichkeit ziemlich harmlos daherkommt - um es vorsichtig zu sagen. Die Heinz-Galinski-Stiftung zeichnet nach eigenen Angaben "Einzelpersonen oder Organisationen aus", die sich unter anderem um die "Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit" verdient gemacht haben.
Aber der Reihe nach: Heinz Schwarzkopf, geboren 1909, war ein offenbar überzeugter Nazi, der sich um die Aufnahme in NSDAP, SA und SS bemühte - denn einfach so kam man gerade in letztere "Elite"-Organisation nicht hinein. Nach 1945 baute Schwarzkopf ein großes Kosmetik-Unternehmen auf. Und er engagierte sich ehrenamtlich, vielleicht getrieben durch Gewissensbisse, mit einigem Einsatz und Geld vor allem für die Jugend. Kurz nach seinem Unfalltod gründete seine Witwe Pauline 1971 die "Heinz-Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa", die den europäischen Einigungs- und Friedensgedanken unter Jugendlichen verbreiten sollte. Die NS-Vergangenheit ihres Mannes geriet dabei in Vergessenheit.
Sie kam erst wieder hoch, als seine Stiftung kurz vor seinem 100. Geburtstag ein historisches Gutachten zu Schwarzkopf erstellen ließ. Daraufhin entschied der Vorstand, die Stiftung umzubenennen in "Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa" - benannt nun offiziell nach Pauline Schwarzkopf. Vorname weg, Vergangenheit weg?
Nicht ganz, denn auf der Homepage der Stiftung wird durchaus an die NS-Vergangenheit von Heinz Schwarzkopf erinnert - aber mit was für Sätzen: "Die Benennung der Stiftung nach Heinz Schwarzkopf legt einen Vorbildcharakter seiner Person nahe, der aufgrund der nun bekannten Informationen aber unsicher ist", heißt es dort. Und: "Die Entscheidung zur Namensänderung ist dem Vorstand sehr schwer gefallen. Er will sich damit auch kein abschließendes Urteil über einen Lebensweg anmaßen, der unter den schwierigen Bedingungen des 20. Jahrhunderts vollzogen werden musste." Mit der Formulierung "furchtbare Exzesse" wird dort offenbar der Mord an sechs Millionen Menschen, vor allem ein Werk der SS, benannt. Und: Das historische Gutachten habe festgestellt, Schwarzkopf sei "offensichtlich nicht an Kriegsverbrechen beteiligt" gewesen.
Unsicherer Vorbildcharakter? Eine Namensänderung, die schwer fiel? Kein abschließendes Urteil? Schwierige Bedingungen des 20. Jahrhunderts? Musste der arme Heinz Schwarzkopf etwa in die Mörderbande SS eintreten?
André Schmitz - eigentlich Schmitz-Schwarzkopf - wurde erst nach dem Tode Schwarzkopfs adoptiert. Aber er ist der Vorstandsvorsitzende der Schwarzkopf-Stiftung und damit am Ende auch für die Homepage der Stiftung verantwortlich. Im Gespräch mit der taz verteidigt er die dortigen Formulierungen und Heinz Schwarzkopf nur halbherzig: "Weil er in der SS war, war er ganz sicher kein Vorbild", stellt Schmitz nun klar. Aber: "Ich kann es nicht wirklich beurteilen, ob Heinz Schwarzkopf ein Verbrecher war." Der Unternehmer "gehörte zu den Deutschen, die sich durch Hitler haben verführen lassen". Schmitz betont: "Weil er nach dem Krieg noch lange gelebt und gewirkt hat, will ich kein abschließendes Urteil über sein Leben fällen."
Wie findet das die Leiterin der Jüdischen Gemeinde? Lala Süsskind hatte am Donnerstag und am Freitag keine Zeit für ein Interview - und am Montag, so erklärte ihr Büro, nur "vielleicht".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner