NOTIZBUCH : Einschlafen mit Harry Rowohlt
Er war immer da. Zuverlässig, jeden Abend. Wenn wir die zwei Buben ins Bett geschickt haben, hat er begonnen zu lesen. Harry Rowohlt hat den Kindern alles erzählt, was man über Christopher Robin, Eule, Ferkel und ein Heffalump wissen muss. Auch über Maulwurf, Kröterich und Ratte wussten sie Bescheid. Nebenbei haben sie von unserem abendlichen Mitbewohner gelernt, wie man die indrekte Rede einzusetzen hat. Ihre Deutschlehrer haben das später zu schätzen gewusst. Wir schätzten Harry sowieso: Nie hat es länger als eine halbe Stunde gedauert, bis die Kinder eingeschlafen waren.
Dann ist ein großer Tag gekommen. Die Wahrheitsredaktion der taz hat ihren 20. Geburtstag gefeiert. Harry Rowohlt, der Wahrhaftige, war als Vorleser angekündigt. Das konnten wir uns nicht entgehen lassen. Ja, wir waren aufgeregt. Am Ende eines langen Abends fing er an zu rezitieren. Keine fünf Minuten später wurde der Atem der Kinder, mittlerweile zehn und fünfzehn Jahre alt, ganz ruhig. Sie waren eingeschlafen. Danke Harry!ANDREAS RÜTTENAUER