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Archiv-Artikel

NOCH SCHADET ANGELA MERKEL DER ABGANG VON FRIEDRICH MERZ NICHT Gefühlte Trendwende

Es lässt sich kaum bestreiten, dass Angela Merkel keinen guten Lauf hat. Erst geht ihr der wichtigste Fachmann für Steuerfragen von der Fahne, und man muss die Leute schon für ziemlich blöd halten, wenn man – wie jetzt Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff – behauptet, der Abschied von Friedrich Merz aus der Partei- und Fraktionsspitze bedeute keine Kritik an der CDU-Vorsitzenden. Dann wird eine aktuelle Meinungsumfrage veröffentlicht, der zufolge eine schwarz-gelbe Koalition derzeit keine Mehrheit im Bundestag bekäme. Das ist nun wirklich eine Hiobsbotschaft.

Hat also das Ende der Ära Merkel begonnen? Erodiert ihre Macht, die sie so beharrlich und auch rücksichtslos erkämpfte? Abwarten. Wahr ist, dass der Parteichefin erstmals in ihrer Amtszeit der Wind ins Gesicht bläst. Sie hat viele Feinde und wenige Freunde, im Streit mit der bayerischen Schwesterpartei hält sie kein gutes Blatt, und taktische Finessen ohne inhaltliches Profil werden Politikern nur so lange als kluge Schachzüge ausgelegt, wie sie damit Erfolg haben. Genau den hat Angela Merkel derzeit eben nicht.

Und dennoch gibt es für sie – noch – keinen Grund zur Sorge. Ihre parteiinternen Rivalen blockieren sich gegenseitig. Es gibt niemanden, der gegen Angela Merkel putschen könnte, weil damit vorzeitig ein Machtkampf in der zweiten Reihe entschieden würde, in dem sich mittelfristig mehrere Kandidaten gute Chancen ausrechnen. Auf dem Parteitag wird sie deshalb mit einem sehr netten Ergebnis im Amt bestätigt werden. Dieser Erfolg kann umso strahlender leuchten, je dramatischer ihre Probleme bis dahin geschildert werden.

Hinzu kommt, dass die Trendwende bislang mehr gefühlt als real ist: Nach wie vor liegt die Union in der Wählergunst weit vor der SPD. Erst die nächsten Landtagswahlen werden darüber entscheiden, wie ernst die Lage für Angela Merkel tatsächlich ist. Friedrich Merz darf sich allerdings schon jetzt als Gewinner fühlen. Er gilt künftig als standfester Politiker, dem Sachfragen wichtiger sind als die eigene Karriere. Das ist eine gute Voraussetzung, um Karriere zu machen. Zumal dann, wenn die Parteivorsitzende in diesem Ruf nicht steht. BETTINA GAUS