■ NOCH 3341 TAGE BIS ZUM JAHR 2000: Nebelbänke und Asphalt-Cowboys
Jede Woche diese häßlichen Autowracks auf den schönen Autobahnen, immer mehr junge Asphalt- Cowboys, die die Feuerwehr aus den Trümmern schneiden oder vom Asphalt abkratzen muß. Das alles ist keine gute Werbung für Deutschlands PKW-Bauer. Damit die Fahrer länger leben und als Kunden erhalten bleiben, haben sich die Autohersteller jetzt etwas einfallen lassen. Sie drosseln natürlich nicht ihre hochgezüchteten Motoren, wer sich ein Geschoß auf Rädern anschafft, will es schließlich auch benutzen. Damit die Fahrer ein bessere Gefühl für ihr Gefährt kriegen, wenn sie mit 180 Sachen in eine Nebelbank rasen oder mit Tempo 200 eine Materialprüfung an einem Brückenpfeiler vornehmen, bieten die sieben deutschen PKW-Hersteller jungen Autofahrern ab 1991 ein kostenloses Sicherheitstraining an. Wie die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Erika Emmerlich, stolz mitteilte, hat sich der Verband dazu entschlossen, nachdem die Bemühungen, die Unfallrate junger Autofahrer zu senken, ohne Erfolg geblieben sei. Die rund 130.000 Autofahrer zwischen 18 und 25 Jahren, die jährlich ein Auto neu auf ihren Namen zulassen, haben einen Anteil von 37 Prozent an den verunglückten PKW-Fahrern. Der Anteil dieser Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung liegt dagegen nur bei 12 Prozent. Nach Feststellung des VDA sind erhöhte Risikobereitschaft und Überschätzung der Technik in den meisten Fällen die Unfallursache dieser potenten Kundengruppe. So ungefähr nach dem Motto „Übe jetzt, stirb später“ bieten die Autobauer ihr Sicherheitstraining an. Verkehrsminister Friedrich Zimmermann ist begeistert. Die Initiative erhalte besondere Bedeutung angesichts der in den letzte sieben Monaten um 52 Prozent gestiegenen Zahl der Unfälle in der ehemaligen DDR, meint er. Denn dort seien inzwischen über eine halbe Million Fahrzeuge neu zugelassen worden.
Obwohl es immer häufiger zu diesen wahnsinnigen Kamikaze-Aktionen auf den Autobahnen kommt, findet Frau Emmerlich das alles halb so schlimm. Sie nahm die Deutschen gegen den Vorwurf in Schutz, ein „Volk im Geschwindigkeitsrausch und Autowahn“ zu sein. Denn damit würden die vielen guten und verantwortungsbewußten Autofahrer beleidigt, und das ist gemein. Die von Jahr zu Jahr günstigere Unfallbilanz in den alten Bundesländern sei der Beweis dafür, daß die überwiegende Zahl der Fahrer „besser ist als ihr Ruf“. Na ja, warten wir auf die nächste Nebelbank. Karl Wegmann
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