■ NOCH 3300 TAGE BIS ZUM JAHR 2000: Angriff deröstlichen Viren
Hacker sind ein hundsgemeines Völckchen. Meist sind sie nämlich die Schöpfer der Computer- Viren. Diesmal erfolgt der Angriff aus dem Osten. Bulgarische Viren sind im Anmarsch.
Mit der Öffnung der Grenzen in Europa haben es die Computer- Viren aus dem Osten besonders leicht. Bulgarische Viren lassen geheimnisvolle Botschaften auf dem Bildschirm erscheinen, die beispielsweise die Politik der Perestroika hochleben lassen oder pornografische Zoten zum besten geben. Aber die Biester greifen auch die wertvollen Datenbestände auf Disketten oder Festplatten an oder lassen den geliebten PC immer wieder abstürzen. Ljubomir Kjossev von der Akademie der Wissenschaften in Sofia kennt allein 80 verschiedene Virentypen, die in seinem Heimatland Bulgarien programmiert wurden und die sich jetzt auf den Weg in den goldenen Westen machen.
Was den Neuling noch in Panik versetzt, ist für Experten längst ein alter Hut: Computer-Viren sind manchmal komisch, manchmal skurill, oft aber aggressiv und datenzerstörend. In mindestens jedem zehnten Personal Computer weltweit schlummert eine elektronische Zeitbombe, die von einer Minute auf die andere die Arbeit von Monaten zerstören kann. Das behauptet zumindest der Hamburger Informatik-Professor Klaus Brunnstein. Sein Kollege aus Israel, Ofer Achituv, geht sogar davon aus, daß mindestens ein Drittel aller PCs von Viren befallen ist. Allein für MS-DOS-Computer zirkulieren über 300 Virenarten. Aber auch PCs von Macintosh, Atari, Amiga oder UNIX-System werden von den elektronischen Plagegeistern nicht verschont.
Alles Quatsch sagt dagegen der Hamburger Chaos Computer Club (CCC). „Viele bauen doch nur ein Schreckgespenst über eine Virengefahr auf, um später mit dem Gegenmittel das große Geld verdienen zu können“, meinen die Cracks vom CCC, „die Viren machen aber eins ganz deutlich, nämlich welche Gefahren von der Computer-Technologie ausgehen. Und das muß breit diskutiert werden.“
Gut gebrüllt CCC! Hoffentlich hat dich auch der Sachbearbeiter einer Hamburger Versicherung gehört. Der Mann hatte in mühevoller Kleinarbeit eine Aufstellung der Versicherungsverträge des vergangenen Quartals in seinen PC gehackt, als plötzlich die Daten vom Bildschirm verschwanden und stattdessen vier strahlende Adventskerzen auftauchten, dazu ertönte die Melodie „O Tannebaum“. Karl Wegmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
