NICOLA LIEBERT ÜBER KARRIEREPLÄNE DES BUNDESBANKPRÄSIDENTEN : Weber bleibt Frankfurter
Eigentlich sah er sich schon an der Spitze einer der mächtigsten Notenbanken der Welt: Bundesbankpräsident Axel Weber wollte nur allzu gern Präsident der Europäischen Zentralbank (EBZ) werden. Gestern aber verdichteten sich die Gerüchte, dass er die Hoffnung wohl aufgegeben hat. Und das ist gut so.
In der Eurokrise gab es eine Institution, die praktisch im Alleingang die Krisenstaaten und damit den Euro selbst vor dem Kollaps bewahrt hat, und das war die EZB. Unter Führung des Franzosen Jean-Claude Trichet hat sie sich von der reinen Lehre verabschiedet, wonach die Notenbank sich auf die Inflationsbekämpfung zu beschränken habe. Sie kaufte einfach die Anleihen der überschuldeten Staaten auf, hielt dadurch die Zinsen niedrig und verhinderte reihenweise Staatspleiten. Ein EZB-Ratsmitglied hatte offen dagegen Widerstand geleistet: Axel Weber. Trichet erhält nun für sein pragmatisches Eintreten für den Euro den Aachener Karlspreis. Weber hingegen musste zusehen, wie seine Chancen auf die Trichet-Nachfolge schwanden.
Das hat auch mit der europäischen Großwetterlage zu tun. Der Rest Europas hat schlicht die Nase voll von der deutschen Besserwisserei. Das gilt auch für den neuesten Vorstoß der Bundesregierung, der EU einen „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ aufzuzwingen, der das deutsche Modell des Gürtel-enger-Schnallens zum Maßstab für ganz Europa machen will. Wenn sich die Gerüchte über Webers Ausscheiden als Kandidat für die EZB-Präsidentschaft bewahrheiten, ist allen gedient. Die Eurozone kann sich einen Chef suchen, der die Ideologie im Interesse aller Euromitglieder über Bord wirft. Und Weber steht auch nicht vor dem Ruin: Er wechselt möglicherweise zur Deutschen Bank.
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