NGOs in Kambodscha: Phnom Penh will Kontrolle
Die kambodschanische Regierung will ein Gesetz verabschieden, mit dem sie ihre Kontrolle über NGOs erhöht. Menschenrechtler fürchten Willkür und Entmündigung.
BANGKOK taz | Ein Gesetzesentwurf der kambodschanischen Regierung stößt auf massiven Widerstand: Während offiziell behauptet wird, dieser diene dazu, den Status von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Gruppierungen und Vereinigungen zu regeln, sehen Kritiker dahinter ganz andere Motive: Die Regierung wolle das künftige Gesetz dazu nutzen, um die politische Kontrolle über die Zivilgesellschaft zu verschärfen. Nationale und internationale Organisationen verlangen daher, die Gesetzesvorlage in ihrer jetzigen Form zu kippen.
Demnach müssen sich sämtliche NGOs in Kambodscha künftig in einem aufwändigen bürokratischen Prozedere registrieren lassen. Auch sind sie dazu angehalten, regelmäßig Auskünfte über ihre Arbeit zu erteilen. Ohne Zustimmung des Staates darf niemand im Land tätig werden. Wer nicht zugelassen wird, hat keine Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. In den Augen der Kritiker ist das absolute Kontrolle: "Damit hinge das Überleben jeder einzelnen NGO in Kambodscha von der Laune der Regierung ab", kritisiert Ou Virak vom Kambodschanischen Zentrum für Menschenrechte in Phnom Penh. Zumal die Regierung alle Organisationen, die ihr nicht passen, jederzeit auflösen kann.
Engagement wird ausgehöhlt
Entsprechendes Engagement würde damit ausgehöhlt, befürchten Beobachter. Denn es wären auch kleine, lokale Initiativen betroffen, die sich gegen Landraub und Zwangsenteignungen wehren. Diese informellen Gruppen sind wesentlicher Kern der kambodschanischen Zivilgesellschaft, deren zumeist arme Bevölkerung ohnehin oft staatlicher Willkür und Gewalt ausgesetzt ist. "Der Versuch, die Versammlungsfreiheit limitieren und NGOs vorschreiben zu wollen, dass sie der Regierung und nicht der Bevölkerung verpflichtet sind, wird diese Gemeinschaften weiter isolieren und entmündigen", erklärte die 1992 gegründete Menschenrechtsorganisation Licadho, eine der ältesten NGOs des Landes.
Premierminister Hun Sen gehe so gegen Bereiche in der Zivilgesellschaft vor, die er bislang nicht kontrollieren konnte, kritisiert auch die US-Organisation Human Rights Watch (HRW). Nach dem Bürgerkrieg und der von 1975 bis 1979 dauernden Schreckensherrschaft der Roten Khmer sei gerade die Entwicklung nicht-staatlicher Initiativen in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine der wenigen Errungenschaften. Das angekündigte Gesetz drohe alle Fortschritte zu vernichten. "Dieses wird vor allem gegen jene NGOs angewandt werden, die sich kritisch über die Regierung und insbesondere über Premierminister Hun Sen geäußert haben", fürchtet Phil Robertson von HRW. Es drohe ein weiterer Schritt zu einem autoritärem System, in dem unabhängige Stimmen zum Schweigen gebracht werden sollen.
Auf einem Treffen kambodschanischer Regierungsangehöriger mit Vertretern internationaler Geberländer in dieser Woche wurde erneut Kritik an dem geplanten Gesetz laut: "In Zeiten finanzieller Beschränkungen dürfte es sehr schwer sein, wachsende Hilfeleistungen für Kambodscha zu rechtfertigen, wenn gleichzeitig der Spielraum für eine funktionierende Zivilgesellschaft schrumpft", warnte der US-Regierungsvertreter Flynn Fuller laut der Phnom Penh Post.
Bislang ist allerdings nicht absehbar, dass die Geber Kambodscha den Rücken kehren - im Gegenteil: Trotz Menschenrechtsverletzungen, einer maroden Justiz und massiver Korruption wurden dem verarmten Land rund 1,1 Milliarden US-Dollar Hilfe für 2011 versprochen. 2010 waren es 950 Millionen gewesen.
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