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NEULICH ...... über der Straße

■ Das Auto ist doch nicht mobil / Gibt es eine Typologie des Lenkradhaltens?

Was machst du, wenn du im Bermuda-Dreieck eines novembernden Samstagnachmittags zu verschwinden drohst? Du gehst ins Café, wo noch ganz andere Tanten dümpeln. Da hältst du dich dann an einer Kaiser Mélange fest, aber die ist auch bloß Kaffee mit ertrunkenem Eigelb. Das sind Stunden, da kuckt man aus dem Fenster, ob die Wirklichkeit noch tickt. Was heißt tickt, sie fährt im Auto!

Neulich sitze ich im beschriebenen Zustand im Café und zähle zur Beruhigung wie Schäfchen die unten auf der Straße stop-and-go-ruckelnden Autoimmobile: Denn sie bewegen sich doch nicht selbst, sie bedürfen der Steuerung. Ja, und diese lenkende Spezies hab' ich an jenem trüben Sonnabende für mich entdeckt.

Da werden Fahrzeughalter zu Fahrzeugtypen! Die in Mercedes oder BMW, die sieht man nicht — dunkel getönt sind alle ihre Fenster, und dahinter dräut wichtig der anzugbetonte Mann mit linkem Ellbogen, lässig abgestützt im Fensterkreuz. Ja, diese Männer haben die Welt im kleinen rechten Finger und selten Beifahrer oder Sprudelkisten im Fonds wie Fordianer. Fährt jemand bei, sind es edle Langhaarige mit Ray Ban-Brillies und vielen Ringen, die sie, weil der Mensch als Beifahrerin sich festhalten muß, im Autoschaufenster zeigen für die Trottoir-Trottel. Weibliche Mercedessinnen sah ich keine. Frauen fahren, grundsätzlich an sich nestelnd, gerne kleine starke Schwarze oder kleine langweilige Weiße, um Platz zu sparen. In himmelblauen Mantas sitzen gerne rosarote Sweat- Shirts mit Riesen-Applikationen, die sich in Front-und Heck-Spoilern fortsetzen. In Popel-Opeln wohnen hinten mit Vorliebe Klorollenhäkelhütchen oder Wackeldackel, vom Frontfenster-Behang ganz zu schweigen. Polofahrer tragen die größten Pilot- Sonnenbrillen — verständlich, wer möchte da schon erkannt werden. Saab-Fahrer sind extreme Individualisten und halten deswegen das Lenkrad nicht, sondern touchieren es leicht am Innenrand. Volvo-Fahrer sind omnipotente Beschützer und plazieren Frauen und ihre Kinder gerne vollverschalt auf dem Rücksitz, was bei Volvo gar nicht nötig wäre. Ältere Beifahrerinnen sah ich meist mit gefalteten Schoß-Händen: Gott- Vertrauen in den Fahrer! Im übrigen waren alle Passagierräume sauber. Man sieht: Keine Überraschungen im deutschen Lenkgeschehen. Claudia Kohlhase

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