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NEULICH ...... beim Geldzählen

■ Am Gelde hängt, zum Gelde drängt doch alles, aber wer hat, der hat noch lange nicht

Geld stinkt. Es ist wahr. Vielleicht nicht in großen Scheinen, aber in kleiner Münze. Die doch klingelt. Egal, nützt nix, Kleingeld stinkt. Und wer's nur klein hat, der wird zuerst ganz schön groß angekuckt. Zum Schluß wird dann aber doch noch von einem genommen.

Da steht man inmitten der brünstigsten Ware, aber der Geldbeutel ist schlaff vor Mangel. Oh, sind da Umsicht und forsches Überspielen nötig: Oder soll man etwa merken, daß sich hier jemand mutwillig ausgeschlossen hat aus der Konsumgemeinschaft? Daß es jetzt ans Eingemachte geht und nicht mehr an Austernpilze?

Ja, das ist die Zeit, da man einen Laib Brot an sein Landfrauenherz drücken und ihm fingerdicke Scheiben absäbeln möchte. Vielleicht noch einen Kanten Dauerwurst dazu? Und etwas Käserinde? Ein kauziger Rotwein? Ach, wie einfach ist man doch im Grunde. Und kommt mit dem Nötigsten aus; und erkennt an ihrem Wesen die Dinge. Und siehe, da bleibt auch noch ein Rest, ein Wunder, herrliche 8 Mark 70.

Jetzt aber. Jetzt erwacht ein sportlicher Ehrgeiz: 8 Mark 70!! Soll man die wieder mit nach Hause nehmen? Nein. Wie wäre es jetzt mit was kleinem Netten? Schon als Belohnung fürs Erkennen vom Wesentlichen?

Also tapfer in die feine Spirituosen-Handlung: Es darf ein Fläschchen Portwein sein, bitte für unter 10 Mark, so etwa um 8 Mark 70. Wie: 8 Mark 70? Der Verkäufer sucht Halt an der Flasche: Wer bin ich? Was will ich von ihm? Seit wann nimmt man denn hier Zahlen in den Mund? Und dann noch vor dem Kauf? Wie seh' ich eigentlich aus? Tja, sagt er endlich, das gibt es nicht. Wissen Sie, sage ich kühn wie nie, es ist so: Ich habe bloß noch 8 Mark 70, dafür muß es doch einen ganz hübschen Portwein geben. Ogott, er kuckt sich um, hoffentlich sieht uns keiner — wie kann man denn ohne Geld rumlaufen?

Rettung fällt ihm ein: Da gibt's doch sicher einen kleinen Scheck! Oder eine Karte! Gibt es nicht, sage ich und denke: Karte, Karte! Bin ich Hanna Schygulla auf dem Gleis und muß mit meinem Gesicht bezahlen? Schließlich habe ich 8 Mark 70 cash. Ach, ich versteh' ihn einfach nicht.

Vielleicht klappt's ja mit Einfühlung und Verständnis: Ich hatte auch mal meine Brieftasche vergessen, will er einlenken. Ich habe mein Portemonnaie nicht vergessen, erwidere ich sanft, ich habe eben bloß noch 8 Mark 70. Damit er sieht, was ich habe, zähle ich sie ihm getreulich bis auf den letzten Groschen auf die edle Theke ab. Es ergreift ihn das Grauen, und er eilt zum Regal, findet einen ganz hübschen Portwein für 7 Mark 80 und beginnt, mit gespreizten Fingern 90 Pfennig von 8 Mark 70 abzuzählen.

Da hab' ich's ihm in passender Münze heimgezahlt und gesagt: Danke, der Rest ist für Sie. Das Bargeld hat gelacht.

Claudia Kohlhase

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