NEUE PLATTEN : All der Jazz und damit schon viel zu viel beim Thärichens Tentett
Oh ja, all that Jazz! Alle Gattungen, alle Spielarten, die bei „The Thin Edge“ von Thärichens Tentett auf den Tisch kommen, um den sich das Berliner Ensemble noch nicht einmal allzu sehr in einer postmodernen Sitzordnung gruppiert hat. Es gibt das Bigband-Showorchester und die feingeistige Tonsetzerei, man gönnt dem Zuhörer Mitschnippgarantie und weiß ums anerkennende Nicken des Fachpersonals am Tresen bei den wohl formulierten Soli, die sogar noch schön im Gruppensound verhakt sind. Avancierter Kunstjazzrock darf kurz zickig sein, und bei den Balladen wird das Kerzenlicht stimmungsvoll heruntergedimmt. Alles da, und hier hat man wirklich einfach alles richtig gemacht, bis ins i-Tüpfelchen der Klischees hinein, aber bitte sehr: „I wonder what it’s like in Spain“ lautet die Textfrage, und schon bekommt man mit der akustischen Gitarre und kastagnettengleichem Händeklatschen den entsprechenden Reisewetterbericht zur Hand (die Texte stammen übrigens mehrheitlich von Dorothy Parker und Ronald D. Laing, durchaus interessant interpretiert von Michael Schiefel mit seiner durch die Lagen schlitternden Stimme). Manchmal guckt man sogar vorsichtig ins Nachbarzimmer der freieren Improvisation, und doch bleibt alles immer aufgeräumt. Wo einst die alten Jazz-Kämpen – also die, die noch was wissen wollten, die noch was wissen mussten – sich ungeachtet der Flecken in den Polstergarnituren fläzten, hat man nette Schonbezüge darüber gelegt. Oh all that Jazz der Gegenwart. Die Verfeinerungen, das sorgfältig Abgemessene, das Durchdachte: immer genau und nur das: verfeinert, abgemessen, durchdacht. Also: nervtötend gediegen und präzise der Grund, wieso man Jazz tatsächlich einfach den Jazzliebhabern überlassen will. Die allerdings bekommen mit Thärichens Tentett die verwaltete Aktenlage auf höchstem Niveau im Hängeregister. TM