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Archiv-Artikel

NEBENSACHEN AUS WIEN VON RALF LEONHARDVEREITELTER VORSTOSS ZUM ÄNDERN DER ÖSTERREICHISCHEN HYMNE Die heimatlosen Töchter

VON RALF LEONHARD

NEBENSACHEN AUS WIEN

Feministische Hinterlist gegen männlichen Kleingeist. So lautete Freitagabend das Match in der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP). Am letzten Sitzungstag vor den Sommerferien stand im Nationalrat wieder ein Mammutprogramm auf der Tagesordnung. Maria Rauch-Kallat stand als Letzte ihrer Partei auf der Rednerliste. Es sollte gleichzeitig die Abschiedsrede der 62-Jährigen werden, die nach 28 Jahren im Parlament auf eigenen Wunsch ausscheidet. Sie musste also nicht fürchten, für freches Verhalten bestraft und bei der nächsten Wahl auf der Liste zurückgestuft zu werden.

So konspirierte sie mit Kolleginnen von SPÖ und Grünen, um ein altes Anliegen durchzubringen, mit dem sie 2005 schon als Frauenministerin gescheitert war: die gendergerechte Umdichtung der österreichischen Bundeshymne. In einem Initiativantrag forderte sie, die Zeile „Heimat bist du großer Söhne“ in „Heimat großer Töchter, Söhne“ umzuschreiben.

Damals hatten die Gegner der Initiative argumentiert, es wäre ein unzulässiger Eingriff in das Urheberrecht der Autorin. Doch die Erben der Dichterin Paula Preradovic haben inzwischen grünes Licht gegeben. Sachargumente gibt es also keine mehr.

Doch die ÖVP-Männer wussten dem feministischen Hinterhalt wacker zu trotzen. Fraktionschef Karlheinz Kopf, der von der Aktion Wind bekam, schickte so viele männliche Abgeordnete mit belanglosen Themen ans Rednerpult, dass das Zeitkontingent der ÖVP aufgebraucht war, bevor Rauch-Kallat das Wort ergreifen konnte.

Da wurde ausführlich über Mastschweinehaltung, neue Süßstoffe und Süßkraut schwadroniert, während die Frauen der drei beteiligten Fraktionen immer unruhiger wurden. Traditionell werden Abgeordnete bei ihrem Abschiedsauftritt mit großem Applaus gewürdigt, doch Rauch-Kallat gönnte man nicht einmal die Zeit, auch nur ans Pult zu treten. Ihren Antrag musste sie schriftlich einbringen.

Fraktionschef Kopf, der das peinliche Machomanöver inszeniert hatte, war am Wochenende für Medien unerreichbar. Der ÖVP-Abgeordnete Günter Stummvoll berief sich auf die Spielregeln: „Anträge müssen zuerst im Klub diskutiert werden. Da gibt es ein klares Prozedere.“ Genau diese Konsensfindung in der Fraktion wollte Rauch-Kallat vermeiden. Ihr „Beitrag zur Eliminierung von sprachlicher Diskriminierung“, so ist sie überzeugt, wäre da nie durchgekommen.