NEBENEINKÜNFTE VON ABGEORDNETEN LASSEN ABHÄNGIGKEITEN ERKENNEN : Das Steuergeheimnis ist kein Grundrecht
Dem Vorschlag einer Reihe von rot-grünen Politikern, bei der Regelung von Nebeneinkünften der Parlamentarier mehr Durchsichtigkeit und klare Regeln zu schaffen, haftet der strenge Geruch von Populismus an, vom Schielen auf den grassierenden generellen Korruptionsverdacht. Macht nichts. Die Initiativen sind wohl begründet.
Kritiker einer Neuregelung der Verhaltensregeln für Bundestagsabgeordnete verweisen darauf, dass in deren Folge immer weniger Freiberufler sich bereit fänden, Parlamentarierarbeit zu leisten. Das wäre angesichts der heutigen Übermacht der Beamten und Funktionäre im Bundestag wie in den Landtagen in der Tat fatal. Aber die Vermutung der Kritiker hat keine vernünftige Basis. Wieso sollte sich beispielsweise ein Rechtsanwalt, der trotz seines Mandats weiter praktizieren will, nicht mit einer Aufwandsentschädigung statt der vollen Diäten begnügen? Was spräche dagegen, einem Kodex zuzustimmen, der Angestelltenverhältnisse für die Dauer des Mandats ruhen lässt? Aber solche Vorschläge reichen nicht, um Transparenz zu gewährleisten. Allgemein gesprochen steht, was die Veröffentlichung von Einkommen anlangt, den Steuerbürgern das Steuergeheimnis zu. Die Geheimhaltungspflicht ist kein Grundrecht, wird aber indirekt gestützt durch das allgemeine, durchs Grundgesetz garantierte Persönlichkeitsrecht.
Die Veröffentlichung der Nebeneinkünfte von Parlamentariern wäre dennoch nicht vergleichbar mit der Weitergabe von Informationen über die Einkünfte von Privatleuten. Die Öffentlichkeit ist zwingend darauf angewiesen, Informationen über die Gesamteinkünfte von Parlamentariern zu erhalten, und nicht nur der Präsident des Bundestages. Wie anders soll der Bürger sich ein Bild von den potenziellen Abhängigkeiten des gesetzgebenden Abgeordneten verschaffen?
Das hat nichts mit einem gegen Politiker gerichteten Generalverdacht zu tun, sondern mit dem Prinzip der Transparenz in der Demokratie. Schließlich ist niemand gezwungen, Abgeordneter zu werden. Wer es aber tut, soll sich demokratischen Spielregeln fügen. CHRISTIAN SEMLER