NDR, WDR, FREUNDSCHAFTEN, WOLFRAM WEIMER, TYRA BANKS, TV-LIVE-DARMSPÜLUNGEN : Fakten, Fakten, Fakten: Helmut Markwort legt Eier und führt darüber Tagebuch
Liebe taz-Medienredaktion,
wieder mal so ein Tag, an dem ich mich ärgere, nicht Ärztin geworden zu sein. Nahm ich bislang an, die könnten vor allem Gliedmaßen schienen oder abtrennen, weiß ich jetzt, die können auch im Blutsatz lesen. Will man beim NDR oder WDR wissen, „ob ein Bewerber für die vorgesehene Tätigkeit geeignet ist“, untersucht der Betriebsarzt das Blut des Bewerbers. Neugier, Hartnäckigkeit, Sprachgefühl bei Journalisten, „das Auge“ bei Kameraleuten – das alles lässt sich im Blut ablesen! Ich könnte Medienärztin sein! Einmal am Saft vom Programmdirektor entlangorakelt, und schon ist klar, warum der NDR den Grand Prix nicht hinbekommt.
Diese Woche habe ich Themenwoche und bleibe in der medizinischen Abteilung: Am Sonntag ging, wer was auf sich hält, in die Hamburger Kammerspiele, um den Texten Jürgen Leinemanns zu lauschen. Der schwer an Krebs erkrankte Haudegen der Reportage sollte für sein Werk geehrt werden. 16 Freunde des 72-Jährigen saßen auf der Bühne und verlasen die klugen, schneidenden Worte. Jürgs, Bissinger, Aust, Naumann, Kilz – wer solche Freunde hat, braucht sich um sein Brot nicht zu sorgen. Aber nicht nur, dass hier die letzte Generation derer versammelt war, die durch Journalismus wohlhabend geworden sind – es ist auch die Generation, deren maßgebliches Verständnis vom Journalismus aktuell zu Grabe getragen wird. Und so war diese Lesung mehr als eine Ehrung Leinemanns. Es war, als säße eine Gruppe von Krebspatienten auf der Bühne, deren Errungenschaften von der nicht zu steuernden Macht zerfressen wird. So ist die Trauer um einen wie Leinemann auch die Trauer um einen Berufsstand.
Aber – und da bin ich sehr froh – nicht alle lassen sich unterkriegen. Helmut Markwort zum Beispiel. Auch alt, aber nicht ganz so verdient (Gong, Fummel-Filmchen in den 70ern) dankt bei Focus nicht ab, ohne seinem Nachfolger zwei Eier ins Nest zu legen: zum einen Wolfram Weimer ein relaunchtes Heft zu übergeben, was dem bei der Neujustierung des angeschlagenen Burda-Schiffs quasi die Hände bindet, zum anderen vollmundig zu verkünden, er würde weiterhin sein eher eigenartiges „Tagebuch“ schreiben. „Die Leser lieben es“, soll M. gesagt haben. Und wenn ich mich auch frage, welche Leser?, so kann ich M. doch so gut verstehen. Tagebücher zu schreiben ist so toll! Da kann man sich so viele schöne Dinge ausdenken und den Leser mit dem behelligen, was ein kluger Mensch für sich behält. Unnütze Gedanken. Lustige. Oder auch einfach nur dumme.
„Ein Journalist muss schon die Neigung haben, seine Därme über den Zaun zu hängen“ ist das Zitat, mit dem ich meine medizinische Woche ausklingen lassen möchte. Peter Zudeick vom „Satirischen Wochenrückblick“ der ARD-Radios hat es laut Journalist von sich gegeben und liegt damit total im Trend. Nicht, dass die US-Fernseh-Show des ehemaligen Models Tyra Banks ein journalistisches Format wäre, aber Journalisten können auch nicht besser sein, als der Mensch es ist, und der geht jetzt so weit, in ebenjener Show vor versammeltem Publikum eine Darmspülung durchzuführen. Die Innenreinigung, der neueste Trend, um bei wichtigen Terminen – Fielmann-Sommerfest, Henri-Nannen-Preis-Vergabe – einen flachen Bauch zu haben. Mit dem feisten Geräusch einer schönen Spülung im Ohr zurück nach Berlin!
Hinweis:DIE KRIEGSREPORTERINSILKE BURMESTER berichtet jeden Mittwoch von der MEDIENFRONT Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de