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Archiv-Artikel

NATURALWIRTSCHAFT Wurst gegen Worte

Fleisch: dunkel, abgehangen, aus artgerechter Haltung

„Bolli!“, rief der Fleischermeister freudig aus seinem Verkaufsmobil heraus. Wir hatten uns einige Zeit nicht gesehen. Weder hatte der Metzger, der samstags mit seinen Fleisch-und Wurstwaren und seiner Frau auf dem Markt auf dem Boxhagener Platz steht, einen Lebensmittelskandal an der Backe, noch war ich Vegetarierin geworden. In den kalten Wintermonaten stand mir nur nicht jeden Samstag der Sinn nach einem Gang über den Markt.

„Na?“, fragte der Fleischer unternehmungslustig, „haste wieder was für mich?“ Er wollte wie immer nur das eine: Bücher. In der Vergangenheit haben der Fleischer und ich wunderbare Tauschgeschäfte getätigt. Ich hatte ihm nach und nach ein Exemplar der vier Jugendromane mitgebracht, die ich geschrieben habe, für seine Tochter, die er mir mit Fleisch- und Wurstwaren bezahlte. Weil ich unmöglich in einer Woche ein Buch schreiben kann, machte ich mich in der Nacht vor dem nächsten Markttag daran, eine Collage mit Wörtern aus Zeitungen und Zeitschriften anzufertigen. Bald leuchteten rote, blaue, grüne und schwarze Buchstaben auf gelbem Grund. „Aus dem Leben eines Fleischers“, lautete der Anfang. „Er kauft ein Los. Es ist ein Fleischlos. Schweinerei.“ Ich laminierte die Collage und trug sie am nächsten Tag zum Fleischer meines Vertrauens.

Neugierig stürzte sich der Metzger auf die Buchstaben und strahlte übers ganze Gesicht. Dann ging es ans Bezahlen: Er spießte ein ordentliches Stück Fleisch auf, dunkel, abgehangen und aus artgerechter Haltung, und warf noch eine Zwiebelmettwurst in eine Tüte, auf deren Aufdruck ein Komma fehlte: „Die gute Adresse wenn es um den feinen Geschmack geht“. Zusammen mit einer neuen Collage bekommt der Fleischer nächstes Mal ein Komma von mir, griechisch für Abschnitt oder Einschnitt. Abschnitt, Einschnitt, Aufschnitt. BARBARA BOLLWAHN