NASA hat Computerproblem: Viren auf der Raumstation
Die Laptops an Bord der ISS sind mit einem Schadcode infiziert, der Passwörter stehlen kann. Die NASA gibt sich gelassen: Das sei schon öfter vorgekommen.
Nahezu jeder Benutzer eines Windows-PCs weiß, dass er seinen Rechner mit Anti-Viren-Software ausstatten muss, um nicht Opfer von Würmern und Trojanern zu werden, die über Sicherheitslücken eindringen. Die Schutzprogramme müssen darüber hinaus regelmäßig aktualisiert werden, damit auch neueste Gefahren abgewehrt werden können. An Bord der Internationalen Raumstation ISS scheint das nicht immer zu klappen: Wie die US-Weltraumbehörde NASA in dieser Woche gegenüber amerikanischen Medien einräumen musste, sind mehrere Laptops der astronautischen Besatzung von einem Datenschädling infiziert worden.
Der Übeltäter nennt sich demnach "W32.Gammima.AG" und greift unter anderem Passwörter von Online-Videospielen asiatischer Herkunft ab. Diese werden dann per Internet an Kriminelle geschickt, die damit ihr Geld zu verdienen scheinen. Da die Online-Anbindung an Bord der ISS nur sporadisch möglich ist, stellt das allein kein wirkliches Problem dar. Gravierender ist allerdings die Frage, wie der Schädling überhaupt an Bord der hermetisch abgeriegelten Raumstation gelangen konnte. Eine mögliche Erklärung sind bereits zuvor infizierte Flash-Speicher oder USB-Sticks, die die Astronauten in ihre Laptops einsteckten. Eventuell war aber auch einer der an Bord mitgenommenen Rechner bereits vorher befallen und steckte dann den Rest der PCs im internen Netz der ISS an. Die NASA gab sich gegenüber dem US-IT-Magazin "Wired" leidlich gelassen. "Das ist nicht das erste Mal, dass wir einen Wurm oder einen Virus hatten", sagte Sprecher Kelly Humphries. Das passiere "zwar nicht häufig", sei aber nichts gänzlich Neues. Es habe sich dabei stets um Windows-Rechner gehandelt, die für Dinge verwendet wurden, die nicht überlebensnotwendig seien - E-Mails oder das Durchführen von Ernährungsversuchen. Viren seien stets nicht mehr als eine "Belästigung". Man werde jedoch untersuchen, wie "W32.Gammima.AG" an Bord gelangen konnte, "damit wir das zukünftig verhindern".
Immerhin: Der Schädling trägt das Rating "Very Low" des Schutzsoftwareherstellers Symantec, ist also nicht sehr gefährlich. NASA-Sprecher Humphries konnte auch nicht sagen, welcher der internationalen ISS-Partner - die USA, Kanada, Japan, Europa und Russland finanzieren und betreiben die Station gemeinsam - den infizierten Laptop an Bord geholt haben könnte. Die meiste Hardware soll allerdings aus den USA und aus Russland stammen. Richtig im Internet surfen können die Astronauten derzeit nicht, sie verwenden allerdings eine spezielle Satellitenkommunikationsfrequenz, über die Textnachrichten, Datenpakete und Videobotschaften ausgetauscht werden können. Wie die genaue Vernetzung an Bord der ISS aussieht, darüber macht die NASA keine Angaben - auch nicht dazu, ob es Verbindungen zwischen unkritischen Versuchslaptops und wichtigen Steuersystemen gibt. Nur so könnten Viren den Astronauten wirklich gefährlich werden. Die Fach-Website "Spaceref" meldet unterdessen, dass einige der Laptops, die für Experimente an die ISS gehen, über gar keine Schutzsoftware verfügten. Wichtigere Rechner wie der "Station Support Computer" (SSC) werden allerdings regelmäßig mit einem Scan durch Programme wie "Norton Antivirus" (NAV) überprüft. Entsprechende Vorgänge werden im Logbuch der Station vermerkt: "Commander Volkov begann seinen Tag heute damit, die gestrigen NAV-Daten herunterzuladen", heißt es darin beispielsweise an einem Tag im August. "Später am Tag wurde auch der SSC gescannt."
Die ISS hatte in ihrer Geschichte bereits mit mehreren Computerproblemen zu kämpfen. So gab es im Sommer 2007 einen Rechnerfehler im russischen Steuermodul, das unter anderem Schubdüsen und Umwälzanlage kontrolliert. Die Temperatur an Bord der Station stieg. Es dauerte mehrere Tage, bis alle sechs Hauptrechner wieder vollständig funktionierten. Grund für die Probleme waren aber keine Viren (sie würden die wichtigen Steuersysteme wohl auch nicht so leicht erreichen), sondern Störungen durch Weltraumeinflüsse, außerdem hatte sich an wichtiger Stelle Kondenswasser gebildet, das entfernt werden musste.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben