NACH EINEM ISLAMISTISCHEN TERRORANSCHLAG IN DEUTSCHLAND : Prävention ist mehr als Kriminalistik
Irgendwann wird der islamistische Terror nach Europa kommen. Im Oktober 2002 kündigte der Al-Qaida-Führer Abu al-Sarkawi erstmals an, dass Deutschland und Frankreich mögliche Ziele für Anschläge seien. Bisher blieb es bei der Drohung – aber Europa wird nervös. Im Oktober probte man in Paris einen Antiterroreinsatz gegen Giftgasanschläge in der Metro; jetzt zu Silvester wurden in London alle offiziellen Straßenpartys abgesagt. In Hamburg und anderen Bundesländern wiederum ist man durch CIA-Hinweise alarmiert.
Wir haben uns angewöhnt, islamistischen Terror sicherheitspolitisch zu betrachten. Da wird die Zusammenarbeit von Geheimdiensten debattiert oder die Überwachung von Flughäfen und US-Einrichtungen. Die Diskussionen verengt sich aufs Kriminalistische, die sozialpolitische Prävention wird vergessen. Hart gefragt: Wie lassen sich rassistische Eruptionen in der deutschen Mehrheitsgesellschaft verhindern, wenn sich hier tatsächlich ein solcher Anschlag ereignen sollte?
Man stelle sich vor, irgendwo ginge eine Autobombe hoch, die zahlreiche Deutsche tötet. Sofort würde nach der Nationalität der Attentäter gefragt. Aus Hamburg wurde kolportiert, dass angeblich ein Syrer und ein Türke das Bundeswehrkrankenhaus sprengen wollten. Sollte je ein islamistischer Türke hier Bomben legen: Man kann den knapp zwei Millionen Türken in Deutschland nur wünschen, dass er eingereist und nicht hier aufgewachsen ist. Hilfreich wäre auch, so zynisch es klingt, wenn ein paar Türken zu den Opfern zählen würden. Gemeinsames Leid verbindet. Sonst aber wären die Türken hier nicht zu beneiden. Der Argwohn nähme zu, der Assimilationsdruck würde -zwang, das Kopftuch wäre schnell verboten, viel mehr Deutsche als jetzt würden „Türken raus!“ murmeln. Und auch alle anderen Muslime gerieten unter Generalverdacht.
Die Gegenreaktion lässt sich genauso gut erahnen: Türken und Araber würden sich noch weiter in ihre Ghettos zurückziehen, ins Vertraute der kulturellen Gemeinschaft. Die Diagnose von den „Parallelgesellschaften“, bereits sehr beliebt, würde endgültig plausibel. Wobei parallel im Sinn von „oben und unten“ zu verstehen ist: Chancenlos, das zeigt die Pisa-Studie, sind vor allem Migrantenkinder.
Bisher ist dies alles eher ein Thema fürs politische Feuilleton – aber es gehört zur Sicherheitspolitik. Für das Ausland ist uns das klar: Sprunghaft wuchs nach dem 11. September das Verständnis für die Jugend in den arabischen Staaten, die keinerlei Chancen hat. Nun wäre es an der Zeit, dies auch auf die Innenpolitik zu übertragen – egal woher die Terroristen stammen mögen. ULRIKE HERRMANN