NACH DEN FILMEN : Das Turiner Pferd
A. stand vor der Haustür. Gutgelaunt und noch etwas außer Puste erzählte sie, wie eine Zigarette gerade eben ihr Auto gerettet hatte. Nur weil sie nämlich rauchend auf dem Balkon gestanden hatte, hatte sie die Abschleppdienstler rechtzeitig gesehen und ihr Auto in Sicherheit bringen können.
In der Geburtstagswohnung war das Innenraumrauchverbot dann schon aufgehoben und es kam mir so vor, als ob fast jeder rauchte, selbst C., der vor fünf Jahren noch, ganz aufgebracht, entsetzt und besorgt, versucht hatte, den Joint eines Gastes zu konfiszieren. Nun war er 18, rauchte Shisha, und es war ihm ein bisschen peinlich, als ich ihn an die Szene von damals erinnerte. Die Zeiten gingen durcheinander; die Shisha schmeckte wie die Pfeifen, die ich als Teenager geraucht hatte, wir standen in der Küche und ich versuchte, A. zu erklären, weshalb mir Andres Veiels Film über Bernward Vesper nicht gefallen hatte. Vielleicht auch weil der verpeilte Dichter, den der Film nur kurz streift, mein Teenageridol gewesen war und mich die Vorgeschichte nicht so sehr interessiert hatte. A., die vor 40 Jahren in der RAF gewesen war und Vesper aus eigener Anschauung gekannt hatte, machte da und dort einen Einwand. Obgleich sie wenig sagte, fand ich den Film dann doch ganz okay. Ähnlich war es mir mit dem Film von Béla Tarr gegangen; zunächst war ich enttäuscht, und als mir später ein Kollege erzählte, wie tief ihn der Film beeindruckt hatte, fand ich ihn gut. Und als mich nun in der Geburtstagsküche jemand fragte, welche Filme ich auf der Berlinale am besten gefunden hatte, war ich selbst erstaunt, dass „A Turin Horse“ plötzlich zu meinen Lieblingsfilmen gehörte. Die Filme entwickeln sich im Gespräch. Am nächsten Morgen war ich immer noch bei den Freunden. Ich fragte: „Soll ich lieber auf dem Balkon rauchen?“ Sie antworteten: „Ja.“DETLEF KUHLBRODT