Muslimische Diplom-Seelsorger: Abschlussklasse 09
In Berlin bekamen muslimische Seelsorger ihr Diplom von Innensenator Körting. Ein Ortstermin.
Sie stehen bei der Urkundenverleihung getrennt auf der Bühne: die 12 Frauen links, die 14 Männer rechts. Als sie sich für ein Gruppenfoto hintereinander aufreihen sollen, wandern die Frauen in die erste Reihe - sie alle tragen leuchtende Kopftücher - und die Männer stehen artig hinter ihnen. Im Publikum sitzen überwiegend verschleierte Frauen und Männer mit langen Bärten. Sie schauen den 26 Muslimen zu, die am Dienstag in Berlin-Neukölln ihre Abschlusszertifikate für eine Weiterbildung als Imame und Seelsorgerinnen erhalten haben - überreicht von Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD).
Der musste, bevor die Zeremonie beginnen konnte, erst mal die Tische und Stühle beiseite räumen. Als dann eine Muslima auf die Bühne gerufen wird und Körting ihr gratulieren will, nimmt sie seine ausgestreckte Hand nicht entgegen. Einem Mann die Hand zu schütteln - für einen gläubige Muslima undenkbar. Das mag man für vorsintflutlich halten, ist aber so. Der Innensenator zuckt zunächst irritiert, bei der vierten Hand-gebe-Verweigerin lächelt er tapfer.
Die Teilnehmer aus Deutschland, Ägypten, dem Libanon und der Türkei starteten im Herbst 2008 mit der Fortbildung, die von der Muslimischen Akademie Deutschland organisiert und vom Bundesamt für Migration und Europäischem Intergrationsfonds finanziert wurde. Die kostenlose und freiwillige Weiterbildung richtete sich an Muslime, die sich in ihren Gemeinden engagieren - die Männer als Imame, also als Prediger, die Frauen als Seelsorgerinnen. Der Unterricht erhielt neben theoretischen Einheiten, etwa über das Bildungssystem, auch einen Besuch im Bundestag, einer Krankenversicherung und einer Familienkonfliktstelle. "Sie haben gelernt, wie Deutschland funktioniert", fasst die Akademievorsitzende Hamideh Mohaghegi zusammen. Gelehrt wurde dreisprachig - deutsch, türkisch, arabisch -, weil nicht alle Deutsch sprechen.
Noch immer wird die Mehrzahl der Prediger aus dem Ausland importiert - meistens ohne jede Vorbereitung auf das Leben in Deutschland. Die Moscheegemeinden und Politiker kritisieren, dass diesen Imamen sprachliche und soziale Kompetenzen fehlen, um junge Muslime in Deutschland zu erreichen. Auch fällt es ihnen durch diesen Mangel schwer, sich an interreligiösen Dialoginitiativen oder in der Stadtteilarbeit zu engagieren. Um das zu ändern, wurde das Projekt nun durchgeführt. Zeitgleich fand ein ähnliches Programm in München statt. Beide Projekte sollen nun ausgewertet werden.
Die Berliner Religionspädagogin Marianne Kappler hat sich zur Seelsorgerin ausbilden lassen und will demnächst in einem Hospiz arbeiten. Obwohl sie sich nach der Weiterbildung kompetenter fühlt, kritisiert sie, dass ihr Diplom wenig Wert hat. Denn außerhalb der Gemeinden ist das Papier bedeutungslos. Innerhalb aber gilt es als Qualität.
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