■ Muskulöses Harfenspiel: Fusion-Music von Rüdiger Oppermann
Wie kann ein Instrument wie die Harfe, das von Klischees des Romantischen und Impressionistischen umgeben ist, in ein neues Licht gestellt werden? Ganz einfach: Man suche von für die Harfe unverbrauchtes musikalisches Material oder lasse sich davon inspirieren ; man baue Instrumente, mit denen sich die Spieltechnik und das Klangspektrum erweitern lassen; man stelle ein Ensemble mit passenden Musikern zusammen. Genau das hat Rüdiger Oppermann getan. Selbst seit Jahren als Instrumentalist und Konstrukteur mit der Harfe beschäftigt, hat er nun eine neue CD aufgenommen, die ihrem Titel (Unchain My Harp, Biber records 6653 – über in-akustik) durchaus gerecht wird. Oppermanns Konzept basiert auf der Fusion-Idee, ohne der Gefahr des Sammelsuriums zu erliegen. Seine neun Eigenkompositionen, eine Art entspannter Rockjazz, sind beeinflußt von asiatischen und lateinamerikanischen Musikkulturen und haben ein sehr individuelles Profil.
Im Unterschied zum kruden Celtic-Rock Alain Stivells oder den dunstigen Wohlklängen Andreas Vollenweiders sind Oppermanns Stücke kompromißloser: präzis und klar in der Diktion, extrovertiert und nie kitschig.
Über temperamentvollen Rhythmen, die aus perlenden Harfenläufen entstehen, tummeln sich jazzige Riffs, leicht einprägsame Melodien und sparsame Improvisationen. Auch die langsamen Stücke schmeicheln zwar dem Ohr, haben aber nicht den Duft billigen Parfüms. Mit wechselnden Besetzungen hat Oppermann aparte Arrangements geschaffen. Sein Harfenspiel, das hart- perkussiv ist, steht zwar im Vordergrund, jedoch nur als Primus inter pares. Die sonst typischen Arpeggios und Flageoletts sind auf dieser CD nur selten zu hören; der Harfenklang erinnert im allgemeinen vielmehr an die lateinamerikanische Charango. Die von ihm entwickelte Elektroharfe, die gedehnte Töne und andere Manipulationen erlaubt (zum Beispiel Wah-wah-Effekte), erscheint in diesem Kontext auch nicht aufdringlich, sondern geschickt integriert, etwa bei „Déjà vu“ oder „Celtic Blues“.
„Die entfesselte Harfe“, mit Muskeln gespielt, ist ein vorwärtsweisendes Ereignis, vielleicht die vorläufige Essenz in Oppermanns Entwicklung. Hans-Dieter Grünfeld
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