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Musikalische MixkulturIch-Unternehmer an den Plattentellern

Die Mixkultur macht Schluss mit der Unantastbarkeit von Klassikern. Ist sie ein weiteres Trojanisches Pferd der neoliberalen Unterwanderung unseres Alltags?

Remixt sogar seinen Vornamen: Gabor Schablitzky alias Robag Wruhme Bild: Katja Ruge

Wuppdeckmischmampflow. Der lautmalerische Titel des Mix-Albums von Robag Wruhme ist fünffach programmatisch. Der Flow eines guten DJ-Sets steckt ebenso drin wie das Wuppen der Tanzfläche und das Mampfen des Materials zu einer homogenen Mischung, was an Plattendecks geschieht.

Robag Wruhme heißt eigentlich Gabor Schablitzky, hat also seinen Vornamen remixt, und war lange Zeit eine Hälfte des Produzententeams Wighnomy Brothers aus Jena. Im De:Bug-Magazin wird seine Arbeit so beschrieben: "Robag Wruhme greift in die Plattenkiste, bringt seine Lieblingstracks in einem feinen Mix zusammen und lässt dabei alles durch den eigenen Filter der Lieblingsgroovesamples laufen, so dass man irgendwann mittendrin den Überblick verliert, ob das noch Stücke sind oder längst die Vereinnahmung von allem in das Sounduniversum von Robag. Vielleicht beides."

In der Tracklist tauchen unter einer Nummer oft mehrere Tracks auf, dazu die ominöse Angabe: "Robag Smapelschatull". Wruhme hat eine Schwäche fürs Onomatopoetische und greift gern in die Sampleschatulle? Könnte sein.

De:Bug besetzt positiv, was Kulturpessimisten Angst macht vor der Mixology: Kontingenz zulassen, Überblick verlieren, Kontrollverlust genießen. Durchweg unneoliberale Qualitäten. Dabei steht die Mixkultur bei Puristen und Pessimisten unter dem Verdacht, ein weiteres Trojanisches Pferd der neoliberalen Unterwanderung unseres Alltags zu sein.

Im Zeitalter der digitalen Reproduzierbarkeit hat es ein Ende mit der Endlichkeit des Kunstwerks. Popmusik ist endlos remixbar, die definitive, in Stein gemeißelte Version eines Songs ist Vergangenheit. Eine Pop-Vergangenheit, der Kulturpessimisten nachtrauern, weil früher die Klassiker unantastbar waren, irreversibel, irremixabel.

Linke Kulturpessimisten

In ihrer Skepsis gegenüber neuen Technologien dürfen sich besonders linke Kulturpessimisten bestätigt fühlen, wenn sie merken, dass im Neologismus Mixabilität die großen Imperative des Neoliberalismus lauern: Mobilität und Flexibilität. Darüber hinaus ist der mixende DJ wie der Fußballprofi qua Job-Profil ein Pionier des globalisierten Ich-Unternehmers. Ist der Mix also eine teuflische Erfindung aus den Geheimlaboren des digitalen Kapitalismus? Ist Mixabilität eine weitere Zumutung im neoliberalen Alltag? Ein schleichendes Gift, das Individualität aushöhlt und Originale entwertet? Und wo bleibt der Autor? Löst er sich auf im Mix? Verschwimmt die Grenze zwischen Produzent und Konsument zu Gunsten des Prosumenten?

Ein Blick auf vier aktuelle Mix-Alben zeigt vier völlig verschiedene Ansätze und AutorInnen-Positionen. DJ Marcelle bezeichnet ihr Album als "Feier musikalischer Inspiration und persönlicher Freundschaft weltweit", ihr "ewiger Dank" gilt John Peel, der Mutter aller Eklektiker am DJ-Pult. Maximale Materialdichte auf minimalem Raum, Mixen als Hochleistungssport - das ist der Ansatz der Niederländerin.

Scheinbar willkürlich kombiniert sie Jodlerinnen des afrikanischen Chewa-Volks mit deutschen Experimentalmusikern wie FM Einheit und Hans-Joachim Irmler (Faust), die Dub-Dekonstruktivisten Hey-O-Hansen mit Geräuschen aus der Tierwelt, westafrikanischen Wurzel-Blues von Dela Kanuteh und Mawdo Suso mit dem Sound von Güterzügen.

Wundersamerweise klingt das Resultat weniger nach einer Freakshow für ADHS-Patienten als nach einem extrem verdichteten Info-Groove, der dem dummen Wort "Weltmusik" neuen Sinn gibt. "Another Nice Mess" ist nice, messy und undenkbar ohne den grenzenlosen Zugang zu den digitalen Archiven. Mehr noch als bei "Wuppdeckmischmampflow" kann man bei DJ Marcelle den Überblick verlieren: Ist sie noch DJ oder schon Autorin, die vorgefundenes Material zu etwas Neuem komponiert? Oder kompostiert?

Globalisierte Musik lokalisieren

Übersichtlicher ist die Konstellation bei Ellen Alliens "Dust Remixes". Ein Jahr nach "Dust" versammelt sie die aufgelaufenen Neubearbeitungen zu einem Remix-Album. So unterschiedliche Leute wie Nicolas Jaar, Munk oder John Roberts interpretieren die Originale auf ihre Art und erweitern so die Produktpalette der Künstlerin. Ellen Allien verwandelt sich von der Autorin in die Stifterin von Rohmaterial.

Rohmaterial liefert auch Gil Scott-Heron. Der 61-jährige Rap-Pionier hat sein letztjähriges Comeback-Album "I'm New Here" dem 40 Jahre jüngeren Jamie XX (The XX) zum Remix überlassen. Im Cut & Paste-Modus rekombiniert der weiße Brite die Poesie des afroamerikanischen Dichters. Das Resultat "We're new here" macht Post-Dubstep mit Spoken Word bekannt und wurde an dieser Stelle schon gefeiert als neuartige Alternative zur Remixt-du-mich-Remix-ich-dich-Tauschökonomie.

Weniger begeistert zeigt sich das Magazin Spex. Musikalisch gehe die ungleiche Paarung auf, konzediert Oskar Piegsa, "als Gesamtwerk" sei die Neubearbeitung dem Original aber "weit unterlegen". Man dürfe "sich nicht wundern, wenn man seine Memoiren einem Zwanzigjährigen zum Redigat überlasst - und danach alle wichtigen Textstellen fehlen." Lauert da nicht ein restaurativer Werkbegriff, der Originaltreue anmahnt, wo doch der Remix von Jamie XX die Stimme von Scott-Heron zum Instrument macht und durch das Weglassen von Worten neuen Soundsinn stiftet? Und so XX-Fans animiert, sich mit diesem alten schwarzen Mann zu beschäftigen?

Vielleicht sind diese Mix-Alben weiter als die Sprache, mit der wir sie in Worte fassen wollen. Dafür spricht der hilflose Versuch, die globalisierte Musik zu lokalisieren, zu erden. Da hat DJ Marcelles Herkunft aus den Niederlanden sie "natürlich insofern geprägt, als dadurch auch der Sound eines multi-ethnischen Umfeldes und Musik der ganzen Welt zu ihrem Erfahrungsschatz geworden sind." Schreibt das Skug-Magazin. Verbaut Robag Wruhme so viele deutsche Produktionen, weil er aus Jena kommt? Schollentechno? Quatsch. Die meisten der vermixten Produzenten verbringen mehr Zeit im Flugzeug als zu Hause und haben ihren Wohnsitz in der übernationalsten Stadt der Erde. In Berlin.

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7 Kommentare

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  • O
    Oliver

    Hallo, selten so etwas Konstruiertes gelesen, zudem noch schlecht und eindimensional recherchiert, gar denunzierend respektlos hinsichtlich Person und künstlerischer Arbeit von elektronischer Musik.

     

    Sicher Tocotronic sangen einst:

    "Ich Muss Reden Auch Wenn Ich Schweigen Muss";

    manchmal ist es aber besser einfach zu schweigen, wenn man nichts zu sagen hat, nur um Zeit von Lesern zu verschwenden...

  • K
    Klaus

    "Another Nice Mess ist nice, messy und undenkbar ohne den grenzenlosen Zugang zu den digitalen Archiven." Warum das? Die gesamte Platte besteht aus zusammengemischten Vinyl-Scheiben. Mit digitalen Archiven hat das nichts zu tun.

  • K
    karlov

    woher nehmen die Kulturschreiberlinge immer nur diesen geistigen Dünnsch...? Es geht hier um elektronische Musik, abwegig also, von Klassikern zu sprechen oder ideologischer Vereinnahmung? Was ist denn die logische Konsequenz gesampelter Musik: alles mögliche zu nehmen, egal woher, und immer wieder durch den Fleischwolf zu jagen.

  • OP
    Oskar Piegsa

    Herr Walter!

     

    ich finde etwas beunruhigend, wie ausführlich Sie das Feindbild des „Puristen“ und „linken Kulturpessimisten“ an die Wand malen, was Sie ihm alles für Ängste und irrationale Ressentiments zuschreiben und wie Sie dann, um seine angebliche Existenz zu belegen, ein einziges Zitat heranziehen. Und zwar von mir! Und dann klingt das in der Oberlehrerhaftigkeit meiner Formulierung auch noch so, als könnten Sie Recht haben!!

     

    Mist, 1:0 für Sie.

     

    For the record: Ich habe überhaupt nichts gegen Remixe oder „digitale Reproduzierbarkeit“ oder „neue Technologien“. Im Gegenteil: Ich finde wenig Auratisches an einer Compact Disc und will auch nicht das Internet abschalten. (Wenden Sie sich hierfür vertrauensvoll an Bill Kaulitz und Hosni Mubarak.)

     

    Das alles wird aber auch in meiner „We’re New Here“-Kritik deutlich, wenn man sie nicht nur dort zitiert, wo ich mich an einer polemischen Pointe versuchte. Das Remixalbum „We’re New Here“ klingt gut, ist aber einer Dimension beraubt, die das Original für mich besonders interessant machte: Gil Scott-Herons scheinbar autobiographischen Texte, die es schaffen, explizit politisch, dabei aber nicht peinlich zu sein. Das und nichts anderes habe ich bemängelt.

     

    Sie selbst erlauben sich zu Gunsten des polemischen Effekts argumentative Taschenspielertricks, wenn Sie verschweigen, dass schon „I’m New Here“ ein Album ist, dass sammelt und samplet, alte und neue Musiktraditionen und Sounds mixt, was in meiner Rezension auch gewürdigt wurde. Wenn es die Puristen und Pessimisten gibt, von denen Sie schreiben, dann werden die auch „I’m New Here“ scheiße finden. Und

    sich um dessen Remix nicht scheren.

     

    Nichts für Ungut & herzliche Grüße,

    Oskar Piegsa

  • OP
    Oskar Piegsa

    Herr Walter!

     

    ich finde etwas beunruhigend, wie ausführlich Sie das Feindbild des „Puristen“ und „linken Kulturpessimisten“ an die Wand malen, was Sie ihm alles für Ängste und irrationale Ressentiments zuschreiben und wie Sie dann, um seine angebliche Existenz zu belegen, ein einziges Zitat heranziehen. Und zwar von mir! Und dann klingt das in der Oberlehrerhaftigkeit meiner Formulierung auch noch so, als könnten Sie Recht haben!!

     

    Mist, 1:0 für Sie.

     

    For the record: Ich habe überhaupt nichts gegen Remixe oder „digitale Reproduzierbarkeit“ oder „neue Technologien“. Im Gegenteil: Ich finde wenig Auratisches an einer Compact Disc und will auch nicht das Internet abschalten. (Wenden Sie sich hierfür vertrauensvoll an Bill Kaulitz und Hosni Mubarak.)

     

    Das alles wird aber auch in meiner „We’re New Here“-Kritik deutlich, wenn man sie nicht nur dort zitiert, wo ich mich an einer polemischen Pointe versuchte. Das Remixalbum „We’re New Here“ klingt gut, ist aber einer Dimension beraubt, die das Original für mich besonders interessant machte: Gil Scott-Herons scheinbar autobiographischen Texte, die es schaffen, explizit politisch, dabei aber nicht peinlich zu sein. Das und nichts anderes habe ich bemängelt.

     

    Sie selbst erlauben sich zu Gunsten des polemischen Effekts argumentative Taschenspielertricks, wenn Sie verschweigen, dass schon „I’m New Here“ ein Album ist, dass sammelt und samplet, alte und neue Musiktraditionen und Sounds mixt, was in meiner Rezension auch gewürdigt wurde. Wenn es die Puristen und Pessimisten gibt, von denen Sie schreiben, dann werden die auch „I’m New Here“ scheiße finden. Und sich um dessen Remix nicht scheren.

     

    Nichts für Ungut & herzliche Grüße,

    Oskar Piegsa

  • TK
    Tadeusz Kantor

    Ich sage immer, mach' was geht. Für was sich Gedanken machen? Ob es nun gut oder schlecht ist, darüber sollen sich andere ihre Köpfe zerbrechen.

  • HF
    Herbert Franke

    Immer wieder lustig, diese Sache mit den Traditionalisten. Vor 100 Jahren war es eine traditionalistische Position, Tonaufnahmen abzulehnen, da dies die Antithese zur Live-Darbietung war, heute ist es die definitive Aufnahme, die es als Tradition zu bewahren gilt. Gemeinsam ist dieser Position also immer nur, Neues zu verhindern.