Musikalische Glaubensfragen: Gelassen buddhistischer Surf, anmutiges Trommeln und Freejazz als Tanz für die Ohren: Fragen Sie ruhig mal Ihren Zen-Meister
Ausgehen und Rumstehen
von Thomas Mauch
Keine Lehre, keine Geheimnisse, keine Antworten. So, aufs Allerknappste zusammengefasst, geht das mit dem Zen-Buddhismus. Bei dem man eben auf sich selbst schauen muss, um wie Buddha zu werden.
Auf dem Weg dorthin empfiehlt sich Meditation. Musik kann helfen. Zum Beispiel Surf, diese mildere und meist streng instrumentale Sorte von Rock’n’ Roll. Etwas Twang und hübsch zirpende Melodien auf der Gitarre.
Dass gerade bei der besseren Surfmusik das eine Stück fast genauso wie das nachgeschobene nächste klingt, ist kein Defekt. Kein Mangel an Variabilität. Sondern Prinzip. Man setzt sich ja auch nicht ans Meer und macht den Wellen den Vorwurf, dass sie sich alle irgendwie ähnlich sehen. Eigentlich ist Surf musikalisches Zen. Und eine prima Disziplin für Musiker dazu, die gar nicht mehr ein Star oder so was werden wollen. Dazu taugt Surf mit seiner Hitparadenferne schlicht nicht. Surf macht man, weil das eine, ja doch, würdevolle Versenkung in Musik möglich macht. Schön war das zu sehen bei Los Apollos am Freitag im Bassy. Hier trommelt der Sterne-Schlagzeuger Christoph Leich, auch der Bassist Thorsten Weßel war mit Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs in Hamburg durchaus mal schulbildend, die Gitarre spielt Simon Rebohm.
Den Surf begriffen haben die drei allemal: keine Lehre. Keine Antworten. Streng der Form folgend. So fand auch das Publikum zu sich. Es tanzte, freundlich wippend, sanft geschmeidig, in einer doch schon buddhistischen Gelassenheit.
Wobei man jetzt gar nicht an Surf glauben muss. Ist nur so, dass ein strenger Ritus eigentlich immer eine gewisse Plausibilität erzeugt.
Was man am Wochenende auch in der Werkstatt der Kulturen erfahren durfte beim Festival der Religionen. Ein spiritueller Supermarkt mit allerlei zum Ausdruck gebrachten Glaubensrichtungen. Tanzende Derwische, buddhistische Gesänge. Und das Ritual der Taiko-Trommeln, das schon deswegen laut sein muss, weil man im Schintoismus eben der Ansicht ist, dass nur so, machtvoll dröhnend, ein Kontakt zu den Göttern und Ahnen hergestellt werden kann. Das machten die Taiko-Trommler dann mit einer derartigen Präzision, mit Wucht und Anmut, dass man selbst als bekennender Agnostiker schon aus rein ästhetischen Gründen gleich dieser Glaubensrichtung mit der großen Trommel als Herzschrittmacher beitreten wollte.
Überhaupt Trommeln. Sind ja oft, wenn da im exzessiven Freiheitsdrang drauf eingedroschen wird, die Pest. Und können halt auch ein richtiges Musikinstrument sein, die Trommeln und die Becken, zu dem man gar nicht mehr rüpelhaft „Schlagzeug“ sagen möchte, wenn so einer wie Günter „Baby“ Sommer damit umgeht, es streichelnd, liebkosend. Wobei auch Sommer einen ordentlichen Punch hat.
Am Sonntagabend war er, 73-jährig, der Jungspund beim Free-Jazz-Gipfel im Exploratorium. Barre Phillips (82) arbeitete behutsam und mit melodiöser Lust an den Verbindungen zwischen Sommer und dem Trompeter Wadada Leo Smith (75), der sein „Birth of the Cool“ in die Geräuschmusik hineinspielte.
So hörte man im Exploratorium (das zusehends zur Schaubühne von Improvisationsprominenz wird – jüngst spielte hier Fred Frith, nach der Sommerpause werden im September Louis Moholo-Moholo mit Keith Tippett gastieren) eine dichte, klar strukturierte Musik, die sich nie in bloßer Expressivität erschöpfte und den Free Jazz gar nicht mit einem beliebigen Freiheitsversprechen übersetzen wollte. Sogar tanzen konnte man irgendwie dazu, wenigstens mit den Ohren.
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