Museumstag: „Wir wollen uns zurücknehmen“
Anlässlich des Internationalen Museumstags öffnen die Berliner Freimaurer ihren Tempel. Zwei Logenbrüder im Gespräch.
taz: Herr Popitz, eine der vier Freimaurertugenden ist ja die Verschwiegenheit. Ist es da nicht widersprüchlich, dass Sie Ihr Haus am Sonntag für BesucherInnen öffnen?
Elmar Popitz: Die Verschwiegenheit ist in der Tat eine der Tugenden der Freimaurerei. Sie wird aber in zweierlei Hinsicht geübt. Zum einen treffen wir uns zu internen Zusammenkünften. Darüber soll der einzelne Logenbruder nichts berichten. Vor allem weil es wichtig ist, dass derjenige, der dieses Ritual zum ersten Mal übt, es unvoreingenommen erleben kann und dadurch ein Initiationserlebnis hat. Zum anderen würde ich Verschwiegenheit als Gegenteil von Geschwätzigkeit sehen. Der Logenbruder soll sich zurücknehmen und überlegen, was er sagt – und nicht so, wie es in der heutigen Zeit üblich ist, geschwätzig durch die Welt ziehen.
Von „dem Ritual“, das Sie gerade angesprochen haben, ist oft die Rede, wenn es um Freimaurerei geht. Werden Sie diesbezüglich am Sonntag ein paar Geheimnisse lüften?
Popitz: Nein, das Ritual machen wir nicht öffentlich – aber wir werden den Besuchern einen Einblick in unseren wichtigsten Tempel gewähren. Das ist immerhin der Ort, an dem wir das Ritual durchführen.
Von manchen Brüdern wird das Ritual auch als eine Art „abendländisches Yoga“ bezeichnet. Was hat es damit auf sich?
Popitz: Das ist ein sehr schöner Ausdruck. Wir leben alle in einer hektischen Welt. Die Logenbrüder kommen aus ihren Berufen, finden sich hier zusammen. Das Ritual soll dazu dienen, dass man zur Ruhe kommt, seinen Geist und sein Herz öffnet.
Mit Erstaunen habe ich auf Ihrer Internetseite Folgendes gelesen: „Sollten Sie an einer Kontaktaufnahme zu Ihrer örtlichen Loge interessiert sein, helfen wir Ihnen gerne weiter.“ Das klingt nicht gerade exklusiv. Was müsste ich denn nun tun, um Freimaurer zu werden?
Popitz: Zum Beispiel so vorgehen, wie es dort geschrieben steht. Oder mit einem Logenmitglied Kontakt aufnehmen. Man braucht heute keinen Bürgen mehr, der einen an eine Loge heranführt – die Zeiten haben sich geändert, glücklicherweise. Also: Sie können per E-Mail oder telefonisch Kontakt mit uns aufnehmen, wenn Sie Logenbruder werden möchten – aber auch ein Tag wie der Internationale Museumstag ist eine günstige Gelegenheit.
Aber wie die norwegischen Logen die Namen aller Mitglieder im Internet veröffentlichen, das käme für Sie nicht infrage?
Popitz: Nein, das kommt für uns nicht infrage. Da müssten wir ja vorher erst einmal alle Mitglieder fragen.
Mathias Lindemann: Das ist auch nicht zielführend. Wir reden über 15.000 Menschen. Was die tun und machen, ist nicht entscheidend für die BRD.
Und für Berlin? Gibt oder gab es denn auch einflussreiche Brüder in Berlin, die unseren LeserInnen eventuell bekannt sein könnten?
Popitz: Bekannte Berliner Brüder? Hm …
Lindemann: Es gibt einen Bruder, auf den ich nicht stolz bin – der sitzt schräg gegenüber von Ihnen, von der taz.
Popitz: Axel Springer war eine bedeutende Persönlichkeit in unserem Land und hat sicherlich auf seine Weise versucht, unsere Gesellschaft voranzubringen.
Lindemann: Aber auf eine sehr reaktionäre Art und Weise.
Popitz: Das bitte ich rauszunehmen. Wir wollen uns hier nicht politisch äußern.
Aber das ist doch gerade ein interessanter Streit zwischen zwei Logenbrüdern. Würden Sie sagen, dass Bruder Axel Springer im Sinne der Freimaurertugend der Barmherzigkeit gewirkt hat?
Popitz: Das ist in der Rückschau sicherlich nicht ganz einfach zu beurteilen. Möglicherweise dachte er selbst, dass er genau das tut.
Lindemann: Es geht ja bei der Freimaurerei um eine relative, nicht um eine absolute Veränderung der Persönlichkeit.
Popitz: Der Einzelne, ganz egal, wie seine Persönlichkeit strukturiert ist, soll versuchen, ein Stück besser zu werden. Insofern tun wir uns schon schwer damit, wenn es Brüder gibt, die in der profanen Welt doch sehr strikt vorgehen.
Und wie reagieren Sie, wenn ein Bruder so handelt? Droht ihm der Rauswurf aus der Loge?
Popitz: Nur wenn strafrechtlich relevante Tatbestände vorliegen. Wir waren beide nicht in der Loge von Axel Springer und wissen nicht, ob sie versucht haben, Einfluss zu nehmen. Aber es stünde uns nicht gut zu Gesicht, den Stab über ihn zu brechen.
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