: „Müssen nicht alles einsetzen“
DROHNEN Verteidigungsminister de Maizière will Kampfdrohnen für die Bundeswehr. Der FDP-Politiker Hartfrid Wolff fürchtet einen „Schritt in Richtung unbegrenzte Kriege“
■ 42, Vorsitzender Arbeitskreis Innen- und Rechtspolitik der FDP-Bundestagsfraktion, sitzt im Geheimdienstkontrollgremium.
INTERVIEW WOLF SCHMIDT
taz: Herr Wolff, „wir können nicht sagen, wir bleiben bei der Postkutsche, wenn alle anderen die Eisenbahn entwickeln“, sagt Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), um zu begründen, warum Deutschland Kampfdrohnen braucht. Sie hat er nicht überzeugt?
Hartfrid Wolff: Nein, noch nicht. Für mich ist der Einsatz von bewaffneten Drohnen weder banal noch ethisch neutral. Kampfdrohnen werden in verschiedenen Ländern unterschiedlich eingesetzt, bis hin zur gezielten Tötung von Menschen, die als gefährlich betrachtet werden. Das ist wie eine Hinrichtung ohne Gerichtsverfahren.
De Maizière hat klargemacht: Es werde keinesfalls grenzüberschreitenden Angriffe der Bundeswehr zur Terrorbekämpfung geben, wie es die USA in Pakistan oder dem Jemen praktizieren. Sondern nur im eng umgrenzten Rahmen von Auslandseinsätzen wie in Afghanistan, die der Bundestag abgesegnet hat. Wo ist das Problem?
Das ist richtig und wichtig. Und dennoch stellt die Drohne für mich eine Technologie dar, die weniger defensiv ist als andere konventionelle Waffen. Es gibt in modernen Kriegen schon lange kein klar abgrenzbares Schlachtfeld mehr. Drohnenangriffe sind für mich aber ein Symbol für einen weiteren Schritt in Richtung unbegrenzte Kriege.
Was ist denn der Unterschied, ob jemand mit einer Rakete aus einem Kampfjet angegriffen wird oder von einer Drohne, die von einem Piloten auf dem Boden ferngesteuert wird?
Eine Rakete aus einer Drohne trifft gezielt und unvermittelt ihr Ziel. Gesteuert wird sie aber aus Hunderten Kilometer Entfernung, ohne direkten Sichtkontakt. Das ist schon ein Unterschied. Wir brauchen hier klare rechtliche Grundlagen und Kontrollmechanismen. Und wie sieht eigentlich die Ausbildung eines Joystick-Schützen aus? Woher kommen die Informationen für die Ziele? Auf all diese Fragen hätte ich gerne eine Antwort.
Drohnen können Leben schützen, auch das ist ein Argument des Verteidigungsministers. Das von deutschen Soldaten, aber wegen ihrer Präzision auch das Leben von Zivilisten, weil „Kollateralschäden“ vermieden würden, so de Maizière.
Der Schutz der eigenen Soldaten ist ein wichtiger Gesichtspunkt. Und es ist auch ein legitimes Ziel, Waffensysteme dahingehend weiterzuentwickeln. Ich will aber, dass die defensive Grundstrategie der Bundeswehr erhalten bleibt.
Es geht also um ein Unbehagen?
Ja, ich habe ein Unbehagen, dass Kriege sich ausweiten und der Einsatz von Drohnen im Einsatzgebiet zu einem Dauergefühl der Bedrohung führt. Und zwar nicht nur bei denen, die man bekämpfen will, etwa die Aufständischen in Afghanistan, sondern auch unter der Zivilbevölkerung. Das könnte wiederum zu einer Radikalisierung führen und negative Folgen für Deutsche vor Ort haben. Dazu kommt, dass Deutschland ja in den wenigsten Fällen alleine im Ausland agiert, sondern im Verbund mit anderen Ländern. Es ist deshalb wichtig, dass wir festlegen, wo die Grenzen sind. In den USA hat der Kongress erst jetzt erfahren, auf welcher Grundlage Drohnen seit Jahren zur Terrorbekämpfung eingesetzt werden.
HARTFRID WOLFF, FDP
Glauben Sie wirklich, dass ein deutscher Minister je eine Liste mit Terroristen aufstellen könnte, die zum Abschuss freigegeben sind?
Nein, denn ein solches gezieltes Töten von Terrorverdächtigen würde der Verfassung widersprechen. Das ändert aber nichts daran, dass der Einsatz von bewaffneten Drohnen die Kriegsführung verändert. Deshalb muss in meinen Augen bei jedem Auslandseinsatz der Bundestag im Vorfeld entscheiden, ob das Mandat den Einsatz von bewaffneten Drohnen beinhaltet oder nicht. Die Politik muss sich hier in jedem Einzelfall Gedanken dazu machen.
Für ein Argument müssten Sie als FDP-Mann empfänglich sein: Die deutsche Rüstungsindustrie würde sich sicher freuen, irgendwann eigene Kampfdrohnen herstellen zu dürfen.
Wir müssen nicht jede Technologie, die existiert, einsetzen – egal ob deutsche oder ausländische Firmen sie herstellen.