Müllmann mit Wagen für 19 Euro

Kommunale Müllentsorger werfen dem Dualen System Deutschland (DSD) Preisdumping bei der Lizenzvergabe für die Entsorgung der „Gelben Säcke“ vor. Tariftreue- und Qualitätsklauseln gefordert

VON KLAUS JANSEN

Werner Meys hatte am Mittwoch eine unangenehme Aufgabe zu erfüllen: Der Geschäftsführer des kommunalen Umweltservice Bochum (USB) musste 28 Mitarbeitern mitteilen, dass für ihren Lebensunterhalt künftig die Arbeitsagentur Bochum sorgen werde. USB muss Stellen streichen, weil das Duale System Deutschland (DSD) dem Betrieb die Lizenz für die Entsorgung der „Gelben Säcke“ entzogen und an den privaten KonkurrentenRethmann vergeben hat.

Nicht nur in Bochum, auch in Essen, Duisburg, Recklinghausen und Unna sind die kommunalen Entsorger raus aus dem Geschäft um den gelben Sack. Die kommunalen Betriebe sind wütend: Ihrer Meinung nach sind die an Tarifverträge gebundenen städtischen Unternehmen im Wettbewerb mit teilweise ungebundenen Privaten entscheidend benachteiligt. Rund 29 Euro kostet laut Tarif ein Müllarbeiter pro Stunde, inklusive Lohnnebenkosten und Wagen. Manche Privatanbieter allerdings leasen Ich-AG‘s – nach taz-Informationen für nur 19 Euro pro Stunde. Der Leiharbeiter muss davon Müllwagen, Sprit und den Lebensunterhalt finanzieren muss. „Als Kommune können wir da nichts machen“, sagt Uwe Schilling, Chef des städtischen Entsorgungsbetriebs Recklinghausen (ESR). Doch nicht nur Kommunen, auch betrieblich mitbestimmte Großunternehmen wie RWE Umwelt leiden unter dem Preisdruck: Das Unternehmen wird in der noch laufenden Lizenzvergaberunde unbestätigten Angaben zufolge vier Millionen Kunden verlieren.

Grund für den Preiskampf sind die niedrigen Referenzpreise, die das DSD gemeinsam mit den Unternehmensberatern von AT Kearney festgelegt hat. Zu niedrig seien die Referenzpreise aber nicht, sagt DSD-Sprecherin Monika Gabler. Zudem sei DSD vom Bundeskartellamt im Zuge der Liberalisierung des Entsorgungsmarktes gezwungen worden, Lizenzen nur nach streng wirtschaftlichen Kriterien und nicht nach Qualität zu vergeben – so lange gewisse Mindeststandards eingehalten würden.

Für die kommunalen Entsorger gilt diese Argumentation nicht: „DSD versteckt sich hinter dem Kartellamt, um gezielt Tarifrecht zu brechen“, sagt USB-Geschäftsführer Meys. Auch sein Recklinghäuser Kollege Schilling glaubt, dass DSD das Kartellamt vorschiebe: „Man kann es zwar nicht beweisen, aber es bleibt das Gefühl.“ Die kommunalen Entsorger fordern nun, dass in zukünftigen Vergaberunden Tariftreue der Unternehmen und Qualitätsstandards stärker berücksichtigt werden: „Die Politik müsste eine Tariftreueklausel durchsetzen, ähnlich wie im Baugewerbe“, sagt der Bochumer Werner Meys. Unterstützung erhält er vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE): „Dem jetzigen Referenzpreis fehlt die Transparenz. Es müssen neue Kriterien erarbeitet werden“, sagt BDE-Sprecherin Petra Blum.

Der Recklinghäuser Schilling bewertet die Erfolgsaussichten allerdings skeptisch: „Bei der jetzigen Lage auf dem Müll- und Arbeitsmarkt ist das ein Kampf gegen Windmühlen“, sagt er. Denn die Preisspirale dreht sich weiter nach unten: Das DSD will die Hälfte der bundesweit 360 Entsorgungsaufträge neu ausschreiben. Die Begründung: Die bisherigen Angebote seien nicht wirtschaftlich genug.