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Motorräder im IranVon Schlägern auf Rädern

Das Regime im Iran schickt Schwadronen auf schnellen Maschinen durch Teherans Straßen. Das erscheint weniger brutal, als wenn Panzer auffahren – ist aber effizient.

Enduros in Teheran: Sie wirken fast schon sportlich, irgendwie improvisiert und irritierend halbstark. Bild: reuters/twitter

BERLIN taz | Ein Motorrad ist ein Spielzeug, kein Panzer. Ein Motorrad ist sogar das glatte Gegenteil eines dieser tonnenschweren Raupenfahrzeuge mit schwenkbaren Geschütztürmen und Schießscharten, mit denen etwa die chinesische Staatsmacht 1989 in Peking ihrer opponierenden Jugend entgegenrollte. Dagegen wirkt eine Phalanx aus zehn, zwanzig bollernden Enduros mit aufgeblendeten Scheinwerfern auf einem Boulevard in Teheran schon weit weniger stählern, staatstragend und unerbittlich, sondern fast schon sportlich, jedenfalls irgendwie improvisiert und irritierend halbstark wie eine Gang marodierender Rocker, denen das Geld für eine Harley fehlte.

Tatsächlich handelt es sich um eine modernisierte, weil motorisierte berittene Polizei. In einer Art von Einsatz, bei dem hierzulande, etwa bei den folkloristischen Feierlichkeiten zum 1. Mai in Berlin, wie selbstverständlich gepanzerte Mannschaftswagen und Wasserwerfer zum Zuge kommen. Wo aber ein Panzer unbeholfen auf der Kreuzung steht, greift eine Motorradeinheit krakengleich in die Menge aus, wo sie punktuell zuschlagen kann. Das Motorrad ist schon schlimm genug, der Panzer aber wäre aus Sicht des Regimes und vor den Augen der Welt ein Eingeständnis des endgültigen moralischen Bankrotts.

So richtig erkannt hat die iranische Armee die taktischen Vorteile des Motorrades als hochmobile Kleinsteinheit im Krieg gegen den Irak; immer vorausgesetzt, dass die Befehlshaber die Verwundbarkeit der "Besatzung" in Kauf nehmen. Wie es heißt, machten die extrem mobilen Motorradeinheiten ihre Verwundbarkeit durch Geschwindigkeit mehr als wett, gerade gegen bis zur Behäbigkeit gepanzerte Ziele der mit US-Hilfe hochgerüsteten Armee Saddam Husseins. Wie viele "Märtyrer" diese selbstmörderischen Einsätze gefordert haben, ist nicht bekannt. Aber bei großen Militärparaden in Teheran knattern seitdem neben den Sattelschleppern mit den Schahab-3-Raketen immer auch ein paar khakifarbene Bajaj-Geländemopeds aus indischer Produktion hinterher, der Fahrer sitzend, der Beifahrer stehend mit der Panzerfaust im Anschlag.

Prinzipiell ist, wie übrigens auch das Pferd, das Motorrad ein Fluchttier. Als solches hat es seit geraumer Zeit einen festen Platz im Fuhrpark von Terroristen und Mafiakillern. In die jüngere deutsche Geschichte eingegangen ist die Suzuki GS 750, von deren Beifahrersitz aus an einer Ampel in Karlsruhe 1977 Generalbundesanwalt Siegfried Buback und zwei seiner Begleiter erschossen wurden.

In der arabischen Zeitung Asharq al-Awsat ist unlängst auf die interessante Parallele hingewiesen worden, dass das Motorrad spätestens seit dem Angriff Israels auf die Hisbollah im Libanon 2006 eine dominierende Rolle im Straßenbild von Beirut spielt. Es ist zum offiziellen Fahrzeug der vom Iran finanzierten paramilitärischen Organisation avanciert, diente während des Krieges als Aufklärer, Kurierfahrzeug, Taxi - und zur Repression etwa der Unterstützer der oppositionellen "Allianz des 14. März" im Libanon. An den Maschinen sollen sich sogar die Hierarchien innerhalb der Hisbollah erkennen lassen: Während das "Fußvolk" mit Wegwerfprodukten vorlieb nehmen muss, bewegen höhere Kader bevorzugt schwerere und modischere Modelle, wie sie hierzulande tatsächlich unter dem dümmlichen Gattungsbegriff Streetfighter gehandelt werden - Motorräder also, deren inhärente Aggressivität bereits am Design ablesbar ist.

Wenn jetzt die Fahrer in Teheran durch die Menge pflügen und die Beifahrer knüppeln oder schießen, sieht das zwar im Fernsehen noch lange nicht nach einem Vorgehen "mit ganzer Härte" aus, ist aber so effizient, wie Terror eben sein kann. Dennoch produziert auch diese speziell iranische Form des Terrors Bilder, die dem um seine Hoheit über Bilder sehr besorgten Regime nicht recht sein können.

Im Internet kursiert dieses dramatische Video, in dem eines dieser Motorräder bei einem Angriff zu Fall kommt, bald brennt - und der Fahrer, ein sichtlich verstörter junger Mann, beinahe gelyncht wird, bevor besonnene Teilnehmer der Demonstration ihn in einen Hauseingang ziehen, versorgen und vor der aufgebrachten Menge abschirmen. Mit solchen Szenen gewinnender Menschlichkeit wird es vorbei sein, wenn erst die Panzer rollen.

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10 Kommentare

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  • JW
    Johannes W

    Ich frag mich warum man nicht einfach einen dünnen Kupferdraht 1,5 mm² in ca. 1,70m Höhe über die Strassen spannt? Man kann da Lampions dranhängen oder auch nicht oder Wäsche oder auch nicht oder Plakate oder auch nicht. Es besteht damit zwar immer eine Unfallgehfahr bei Motorradfahrern, wenn es in deren Körperhöhe hängt, aber auf dem Bürgersteig fahren ja keine Motorräder, oder etwa doch?

  • T
    tazfighter

    das sind mir ja die liebsten kommentare. am text vorbeilesen und sofort pampig werden. einigen vorlauten kommentarschreiberlingen sei folgendes zu raten: nehmen sie sich ihre bitten an den autor mal selbst zu herzen und lesen den beitrag nochmal gründlich durch @streetfighter.

     

    und @ verärgerter leser: ich würde mir wünschen, dass sie die taz auch als informationsquelle zu schätzen lernen, die es den autoren ermöglicht, ihre beiträge mit persönlichen ansichten "zu durchsetzen". der autor macht von seinem grundrecht auf meinungsfreiheit gebrauch, was man schon fast als seltenheit in der gegenwärtigen presselandschaft erachten kann. bei der taz handelt es sich um ein blatt mit mündigen autoren. sie müssen diese meinung ja nicht teilen und haben hier die möglichkeit, dies zu äußern. also alles paletti und kein grund zur verärgerung. wenn sie objektivität wollen, können sie ja die statistiken und was weiß ich nicht alles selbst recherchieren. ansonsten hoffe ich, dass sie viel spaß mit der taz haben.

     

    an die taz und den autor: weiter so! gute arbeit.

     

    ps.: streetfighter ist in der tat ein extrem dümmlicher gattungsbegriff.

  • S
    Streetfighter

    Es ist immer wieder verwunderlich, mit welchem Halbwisse manche Schreiberlinge um sich werfen. Aussagen wie "...dümmlichen Gattungsbegriff Streetfighter.." sollte man nicht treffen, wenn man nicht weis, wovon man redet.

     

    Prügelnde Milizen einer Scheindemokratie mit dem Design eines Motorrads zu verbinden zeugt auch nicht wirklich von geistiger Reife.

     

    Zur Information: Als Streetfighter bezeichnet man hauptsächlich umgebaute Serien-Sportmotorräder, bei denen unter anderem die Verkleidung entfernt wurde.

     

    Sicher wird kein Angehöriger dieser Truppen sich diese Arbeit machen, bevor er sich damit auf Demonstranten stürzt.

     

    Meine Bitte an den Autor: Erst denken und ggf. informieren, dann schreiben!

  • L
    Lars

    Ich halte einen Vergleich zwischen der derzeitigen Situation im Iran und den Geschehnissen am 1. Mai in Berlin ehrlich gesagt für ziemlich gewagt.

  • D
    Dunbar

    Zu den "harmlosen" Motorrädern:

    Schon mal überlegt, was passiert wenn ein Motorrad mit 80 kmh fährt und der Beifahrer mit einem harten Knüppel auf einen ungeschützten Oberkörper schlägt?

    Im Internet kursieren inzwischen mehrere Bilder von den Ergebnisssen. Der Knüppel sorgt dann für "Platzwunden" bis auf die Rippen, in einer Art und Weise, als hätte man mit voller Wucht eine Machete in den Oberkörper geschlagen. Das Ergebnis kann sich jeder ausmalen.

  • V
    vic

    Streetfighter, ja. Man hat sich schon kopfschüttelnd an die bescheuerte Namensgebung gewohnt. Pervers.

  • VL
    Verärgerter Leser

    > Während das "Fußvolk" mit Wegwerfprodukten

    > vorlieb nehmen muss, bewegen höhere Kader

    > bevorzugt schwerere und modischere Modelle, wie

    > sie hierzulande tatsächlich unter dem dümmlichen

    > Gattungsbegriff Streetfighter gehandelt werden -

    > Motorräder also, deren inhärente Aggressivität

    > bereits am Design ablesbar ist.

     

    Sätze wie diese halten mich immer wieder davon ab, die TAZ trotz eigentlich guter journalistischer Arbeit - zumindest sofern das von einem Aussenstehenden zu beurteilen ist, als ernsthaftes Blatt zu betrachten.

    Seit wann ist ein Motorrad inhärent aggressiv? Weiterhin finde ich es nicht sehr professionell, durch entsprechende Wortwahl wie "dümmlich" einen Artikel mit persönlichen Ansichten und Meinungen zu durchsetzen und ihm so seine Objektivität zu nehmen.

    Ich schätzte die TAZ bisher als Informationsquelle, welche auch die Nachrichten bringt, welche die grossen Zeitungen nicht abdrucken (Umweltskandale, Gewalt durch die Polizei, Justizirrtümer,...), bekomme aber immer wieder den Eindruck, dass des Öfteren Ideologie und Blockbildung vor Objektivität und Sachlichkeit geht.

     

    Freundliche Grüsse,

    ein halbwegs nachhaltig lebender, an objektiver Berichterstattung interessierter und auch gerne mal zivil motorradfahrender Leser.

  • PH
    Peter Hauf

    Ihren Kommentar hier eingebenAls sozusagen alter Arno Frank - Wertschätzer und ebenfalls gedienter Mopetier möchte ich nicht versäumen anzumerken, dass ich die Verlinkung dieses hochemotionalen Streifens als jenen 'Flügelschlag des Schmetterlings' erachte, der die Geschichte schreibt.

  • DO
    Der Orientalist

    Überall begenet man den gequirlten Quark, wenn man die Zeitungen so ließt.

    Mit schein Debatten lenkt man uns ab, nichts weiter! es kommt einem so vor, als ob die große Mehrheit im Iran gegen Ahmedin sei und sich für die Opposition entschieden hätte.

     

    Diese wahnwitzigen Demokratiehüter im Westen (diverse Poster auch eingeschlossen) unterstützen absolut und sicher unbewusst eine Minderheit. Wäre nämlich die Mehrheit für einen Sturz des Regimes, dann würde es dort viel übler zugehen- und nicht nur ein paar Demonstranten Hopps gehen…

     

    Wenn ich an die toten Demonstranten denke, dann fällt mir der, in Griechenland von einem Polizisten erschossene jugendliche in den Sinn…Wo war da die Presse, Wo waren in diesem Fall die westlichen Pazifisten? Die Gemeinschaftlich und Grenzen übergreifend gegen das dortige Regime protestiert haben?

     

    Wo waren die protestierenden NGO´s bei der getürkten Wiederwahl von Busch?

     

    Aber sich einer Minderheit im Iran anzuschließen u. damit blutige Unruhen oder sogar einen Bürgerkrieg auszulösen ist "OK"?!

     

    An alle Pazifisten: einen friedlichen Sturz von egal welchem Regime kann man nur durch die Mehrheit der Bevölkerung erreichen. Besser gesagt, es ist wahrscheinlicher, dass der Sturz friedlich vonstatten geht (siehe UdSSR) wenn aber 40% gegen das Regime ist und 60% dafür (beispielhaft), dann führt ein Sturz ganz sicher zum Bürgerkrieg - in so einer Situation BEFINDET SICH DER IRAN, nur dass die Mehrheit, trotz unserer unabhängigen Presse hinter dem Regime steht.

  • M
    Meik

    Naja, Deutschland hat dafür seine SEK-Polizisten in wandelnde Panzer umgewandelt. Schon mal SEK im Einsatz gesehen? Iran läßt grüßen. Komisch, dass sich über das bei uns niemand so recht empört. Vielleicht, weil die Leute bei uns eben ganz demokratisch 'unter massivem Schlagstockeinsatz' verdroschen und verletzt werden?