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Montagsinterview mit Fondsmanager Gerhard Schöningh"Luxus ist, wenn ich mir so ein Projekt leisten kann"

Viele sind gescheitert an der ehemaligen Vorzeige-Rennbahn Hoppegarten vor den Toren Berlins. Fondsmanager Gerhard Schöningh erfüllt sich mit dem Kauf des Geländes einen Kindheitstraum.

Gerhard Schöningh auf der Tribüne in Hoppegarten Bild: Detlef Schilke
Interview von Kristina Pezzei

taz: Herr Schöningh, was ist für Sie Luxus?

Gerhard Schöningh: Luxus ist für mich, im Meer zu baden, unter einem alten Baum zu sitzen und ein Buch zu lesen. Ganz im Ernst: Es sind viele einfache Dinge, für die mir oft die Zeit fehlt.

Gerhard Schöningh

Der 47 Jahre alte Krefelder lebt seit mehr als 20 Jahren in London. Dort bewies er sich als umsichtiger und äußerst erfolgreicher Fondsmanager. Der von ihm verwaltete Baring Europe Select-Fonds verzeichnete von 1995 bis 1998 einen Wertzuwachs von mehr als 225 Prozent.

Durch das derart angewachsene Volumen sahen sich Schöningh und sein Kollege in ihrer Anlagestrategie eingeschränkt. Sie verließen das Unternehmen und machten sich selbstständig - auch das mit Erfolg. Der Ennismore European Smaller Companies entwickelte sich ebenfalls deutlich besser als das Marktumfeld.

Schöningh verkaufte seine Anteile vor drei Jahren. Seit er Hoppegarten erworben hat, pendelt er zwischen seiner Wahlheimat London und Berlin. Noch wohnt er hier in Hotels und Pensionen, langfristig kann er sich auch eine Wohnung in der Stadt vorstellen. Dann allerdings eher in Richtung Mitte, wo die meisten Geschäftspartner angesiedelt sind. Hoppegarten ist dem Junggesellen als Wohnort dann doch zu abgeschieden.

Der nächste Renntag ist am 14. August.

Und die Rennbahn in Hoppegarten, also Pferdesport und Damen mit eleganten Hüten - kommt das einer Sehnsucht nach Luxus gleich?

Na ja. Also guter Rennsport zieht weltweit alle Bevölkerungsschichten an. Natürlich haben Sie die Damen mit Hüten und die Leute, die sich zur Schau stellen wollen. Aber wir haben hier genauso wie in England die Familien, die das als Ausflug sehen: Der Vater wettet vielleicht etwas, die Kinder gehen zum Ponyreiten und die Mutter trinkt einen Kaffee. Dann haben Sie natürlich die Zocker und Profiwetter, die Pferdefans - wir bilden hier alle Bevölkerungsschichten ab.

Das klingt so, als setzten Sie bewusst auf die Familienschiene und nicht auf die oberste Bevölkerungsschicht.

Hoppegarten ist die größte und beste Rennbahn, die jemals in Deutschland gebaut wurde. Für mich wäre es ein Traum, wenn wir in ein paar Jahren sagen könnten: Hoppegarten bildet Berlin ab in all seiner Vielfalt. Wir sind dabei auf einem sehr guten Weg, wir haben in diesem Jahr eine Besuchersteigerung um 50 Prozent mit mehr als 10.000 Besuchern am Pfingstsonntag. Das Schöne bei einem Rennen ist: Solange jeder seinen Bereich hat, wollen sich die Leute gleichzeitig mischen. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen zwischen den Tribünen. Die Damen mit den Hüten brauchen auch ein Publikum, das sie anschaut. Umgekehrt will die Masse etwas zu sehen haben.

Sie haben sich selbst als mäßigen Reiter bezeichnet. Besitzen Sie denn Pferde?

Seit ein paar Jahren habe ich auch Rennpferde, gemeinsam mit Freunden in England. Das ist noch einmal etwas ganz anderes, wenn Sie so ein junges Pferd heranwachsen sehen, das dann ins Training geht. Das ist, wie wenn ein Kind in den Kindergarten kommt und ganz behutsam an den Ernst des Lebens herangeführt wird.

Sie waren erfolgreicher Fondsmanager, jonglierten mit Millionen Euro. Warum setzen Sie auf eine Rennbahn tief im Osten der Stadt, an der noch unglaublich viel modernisiert werden muss und von der unklar ist, ob sie sich jemals trägt?

Also erst mal muss man sagen, ich hatte in meinem Leben bisher sehr viel Glück. Ich habe natürlich auch hart gearbeitet, aber ich hatte einfach die Möglichkeit, ein Unternehmen in London mit aufzubauen, an dem ich die Anteile vor drei Jahren gut verkauft habe. Zweitens ist Rennsport ein lebenslanges Hobby von mir, ich bin als Kind neben einer Rennbahn aufgewachsen in Krefeld und fand das schon als Jugendlicher faszinierend. Wetten, das hat mich interessiert, die Pferde selbst. Ich bin dann auch sehr viel zu anderen Rennbahnen gegangen, in Nordrhein-Westfalen und dann nach Paris, habe in England studiert und dort sehr viele Bahnen gesehen. Ich finde es einfach toll, mit einem Bier unter dem Baum zu sitzen an so einem Tag. Oder wenn Sie eine Wette machen, da mitzufiebern.

Aber noch mal: In Hoppegarten sind schon einige gescheitert. Der Union-Klub, in dessen Besitz die Rennbahn Anfang der 90er-Jahre geriet, ging insolvent. Der Rennverein Hoppegarten richtete später Rennen aus, musste jedoch Veranstaltungen aus wirtschaftlichen Gründen absagen. Sie müssen Optimist sein.

Historisch gesehen ist es so, dass Berlin das wichtigste Zentrum des Rennsports war. Es gab vor dem Zweiten Weltkrieg allein drei Bahnen für die Galopper, Hoppegarten, Karlshorst und eine kleinere in Strausberg. Nach der Teilung lagen die alle im Osten. Das heißt, die Westberliner hatten bis zur Wiedervereinigung überhaupt keine Berührung mehr mit diesem Sport. Jetzt hat Hoppegarten auf einmal einen wesentlichen Markt zurückbekommen, und diese Verbindung wiederherzustellen, wird für Hoppegarten entscheidend sein. Es ist letztlich die Kombination von Dingen, die mich daran gereizt hat: der Sport, Hoppegarten, das Einzugsgebiet mit fünf Millionen Menschen.

Lassen Sie sich da nicht von Kindheitserinnerungen verführen und vergessen Ihren unternehmerischen Spürsinn?

Nun, Sie fragten, was Luxus ist. Luxus ist, wenn ich mir so ein Projekt leisten kann. Es ist ganz klar, dass man anderswo Geld leichter verdienen kann. Ich will nach ein bis zwei Jahren sehen, ob meine Überlegungen grundsätzlich stimmen und in die richtige Richtung gehen. Das Schlimmste, was mir dann passieren kann, ist, dass ich sage, die Ideen und Fantasien funktionieren nicht. Und dann würde ich irgendwie eine Lösung finden. Ich hätte mit Sicherheit Geld verloren, aber immens an Erfahrung dazugewonnen.

Sie haben vergangenes Jahr eine Million Euro investiert, dieses Jahr sollen es wieder so viele sein. Was ziehen Sie nach einem Jahr als Bilanz?

Was sehr gut läuft, sind die Besucherzahlen. Dann das Medienecho - das ist deutlich besser als erwartet.

Na ja, zu den Blütezeiten sollen viermal so viele Leute pro Renntag hierher gekommen sein.

Das stimmt so nicht. Vielleicht zu dem deutsch-deutschen Renntag 1990, wo von sogar 45.000 Besuchern die Rede war - leider gehen so viele gar nicht auf die Anlage und an dem Tag waren tatsächlich an die 25.000 auf der Anlage! Das Übertreiben rächt sich dann in der Zukunft. Ich glaube kaum, dass Hoppegarten vor dem Krieg an den ganz großen Tagen mehr als 25.000 Menschen hatte.Was wir hier an Baulichkeiten gemacht haben, da kommen wir mit unserem Geld weiter, als ich bislang gedacht habe.

Zurück zur Bilanz. Es gab doch sicher auch Hürden, ungeahnte Schwierigkeiten.

Schwieriger als erwartet ist sicher das Thema Sponsoren, und das ist der Wirtschaftslage geschuldet. Was wir grundsätzlich in unserem elfköpfigen Team gelernt haben, ist: Wenn wir versuchen, zu viele Dinge gleichzeitig zu machen, haben Sie viele angebissene Brötchen, die da rumliegen. Da mussten wir alle Disziplin lernen, Dinge liegen zu lassen und Prioritäten zu setzen.

Sagen Sie mal ein Beispiel.

Ein Thema, das immer kommt: Wir müssen mit Flyern viel mehr machen, die ganze Tourismusschiene ausbauen, viel mehr mit Kooperationen machen, ob das nun Tropical Islands ist oder Friedrichstadtpalast. Nur im Moment ist die Budgetvergabe bei den großen Unternehmen ganz wichtig. Darauf müssen wir alle Ressourcen konzentrieren. Das Thema Flyer haben wir - obwohl es sich aufdrängt - auf den Winter zurückgestellt.

Spielen Pferdewetten eigentlich noch eine Rolle?

Ja, klar. Wir haben an einem normalen Renntag 50 sogenannte Totalisator-Kassen auf und fünf Wettarten, von ganz einfach bis schwierig. An einem normalen Renntag werden hier bis zu 200.000 Euro am Totalisator eingesetzt. Und da sind viele Leute dabei, die einfach ihre 2,50 Euro setzen.

80 Prozent der Gewinne schütten Sie wieder aus. Lässt sich so Geld verdienen?

Die Erträge aus den Wetten sind ein wichtiger Finanzierungsbeitrag - aber nicht der einzige. Wir haben auch die Eintrittsgelder, Einnahmen aus Gastronomie und VIP-Paketen und natürlich Umsätze aus der Werbung auf der Rennbahn.

Merken Sie die Finanzkrise an den Besucherzahlen?

Nein, überhaupt nicht. Die Eintrittspreise sind sehr volkstümlich, das Essen auch. Außerdem kommen viele Leute mit Picknick hierher, da sind wir super familienfreundlich. Wir haben hier auch einen Kindergarten, verschiedene Spielplätze. Selbst in der Finanzkrise läuft es noch zu unseren Gunsten, auch weil wir das kommunizieren. Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen, eher im Gegenteil. Ich glaube, wenn die Leute teurere Sachen streichen, machen sie eher so etwas.

Wie viel Umsatz haben Sie erwirtschaftet?

Im Moment sind wir noch absolut in der Investitionsphase. Ich habe im letzten Jahr keinen Gewinn erwirtschaftet, es wird in diesem Jahr genauso aussehen.

Derzeit erwirtschaften Sie gar nichts, zuvor haben Sie Millionen verwaltet. Welche Beziehung haben Sie zu Geld?

Als Fondsverwalter verwalten Sie ja nicht Ihr Geld, sondern das Geld anderer. Egal, wer das ist: Sie müssen versuchen, für die Kunden ein gutes Ergebnis zu erzielen. Das heißt, mit vertretbarem Risiko gute Erträge erzielen. Das war auch eine Maxime meiner Firma, wir hatten als oberstes Ziel, kein Kapital zu vernichten. Für uns war es wichtiger, eine positive Rendite zu erzielen und nicht unbedingt einen Index zu schlagen, also sich besser als die Leitindizes zu entwickeln.

Und wie hält man den Bezug zu Summen von hunderten Millionen Euro: Rechnen Sie da um? In Rennpferde? Wetteinsätze?

Nein, gar nicht. Ich würde sagen, da wächst man so rein. Und es ist ja nicht unser Geld. Ich finde auch so 100 Millionen Euro noch sehr leicht vorstellbar. Schwieriger finde ich es vorzustellen, wenn Banken 10 Milliarden Eigenkapital brauchen.

Wie sind Sie denn mit Ihrem eigenen Gehalt umgegangen?

Ich bin natürlich in der glücklichen Situation, dass ich mir schon viele Dinge leisten kann, die für die meisten Leute unerschwinglich sind.

Zum Beispiel eine Rennbahn kaufen.

Ja, aber das ist ja kein Zuckerschlecken, das ist harte Arbeit. Es ist ja nicht so, der Herr Schöningh kommt hier mit seinem Geld und dann wird da etwas daraus - Geld ist nur ein kleiner Teil, wichtiger sind die Ideen. Wichtig ist, dass die Bevölkerung mitzieht, dass die Medien mitziehen, dass es angenommen wird. Ich bin im Grunde nur einer, der mit der Idee herkam und bereit ist, seine eigenen Mittel und seine eigene Zeit einzubringen.

Empfanden Sie auch die Arbeit als Fondsmanager als anstrengend?

Es ist schon sehr anstrengend. Ich sage immer, es ist ein bisschen wie im Fußball, wahnsinnig transparent. Jeden Tag können Sie sehen, wie die Konkurrenz abgeschnitten hat. Sie haben im Grunde ständig irgendwelche Hitlisten. Auch wenn Sie in einer Firma arbeiten - die Kollegen wissen ganz genau, wie Sie arbeiten.

Sie waren angestellt in einer Firma und haben sich selbstständig gemacht, als es richtig gut lief. Dann haben Sie vor drei Jahren ihre Fondsanteile verkauft, bevor es mit der Finanzkrise richtig losging. Zwei Mal zum richtigen Zeitpunkt entschieden. Woher weiß man, wann der gekommen ist?

Es ist sehr wichtig, dass Sie antizyklisch sind und den Mut haben, entsprechend zu handeln. Wenn alle optimistisch sind, ist das in den Kursen drin.

Empfanden Sie es jemals als unmoralisch, auf diese Art und Weise Geld zu verdienen - und noch dazu so viel?

Das kommt darauf, welche Berufsauffassung Sie haben. Sie haben schon eine gesamtwirtschaftliche und auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Wenn Sie Geld geben in schlechte oder böse Projekte, wenn es Unternehmungsführungen sind, von denen Sie glauben, die bieten einfach unseriöse Produkte an, dann haben Sie schon die Möglichkeit zu sagen, nein, das mache ich nicht mit.

Haben Sie diese Möglichkeit jemals genutzt?

Ja, absolut. Wir hatten auch teilweise unter den Kollegen Debatten, sollen wir das machen oder sollen wir das nicht machen. Da ist es wichtig, dass Sie auf Ihr Gewissen hören.

Sehen Sie da eigentlich eine unterschiedliche Einstellung zwischen Deutschland und England?

Die Deutschen sind natürlich von der Mentalität her viel vorsichtiger, und die Engländer sind deutlich spekulativer. Die Verschuldung ist in England viel mehr ein Thema, das Problem haben wir in Deutschland in dem gleichen Ausmaß nicht.

Sie selbst scheinen Ihre deutschen Wurzeln bei der Geldanlage nicht vergessen zu haben - bei Hoppegarten zeigen Sie ja schon Augenmaß. Planen Sie auch eine Rückkehr ins Fondsgeschäft?

Es kann gut sein, dass ich wieder im Fondsgeschäft aktiv werde. Man muss in diesem Geschäft Firmen gut beurteilen können, das ist genauso, wie wenn Sie auf den Markt gehen und Äpfel kaufen: Sie müssen sehen, was ist ein guter Apfel und was ist ein schlechter. Dann muss man gute Qualität günstig einkaufen, und da erst kommt die Börse ins Spiel. Das reizt schon.

Sind das Erfahrungen, die Sie auch in Hoppegarten einbringen können?

Es gibt vielleicht ein paar Parallelen. Hoppegarten war ja eine öffentliche Ausschreibung, und ich habe überlegt, ich möchte mich über ein gutes Konzept profilieren. Hoppegarten hatten viele schon abgeschrieben; Scheichs mit ihrem Geld waren nicht interessiert. Das heißt, die Erwartungen waren relativ gering. Auch im Rennsport haben viele gesagt, ja der Schöningh, mal sehen, wie lange der durchhält. Das fand ich gut, das war eine Situation, die man beim Investieren einen Turnaround nennt. Da wollte niemand dran.

Steckt in Ihnen eigentlich auch ein Zocker?

Ich glaube nicht! Wenn ich Risiken eingehe, habe ich mir diese sehr genau überlegt.

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