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Mobilität IDie Kreativen sollen Berlin elektrifizieren

In der Region sitzen nicht nur Schwergewichte wie Bombardier und Daimler, sondern auch viele kleine Firmen. Sie haben große Pläne - doch es ist unwahrscheinlich, dass sich alle erfolgreich umsetzen lassen.

An Ideen mangelt es den Ingenieuren von Amovis nicht: 56 Patente zu Abwärmenutzung in Fahrzeugen und Kraftwerken hat das Berliner Unternehmen bereits angemeldet. Das jüngste Projekt ist ein System zur Klimatisierung von Elektroautos. "Wir verdienen zwar mit solch speziellen Entwicklungen noch kein Geld", sagt Ingenieur Christian Göbel. Mit den Tüfteleien hofft Amovis vielmehr auf einen Trend zur Elektromobilität. Umsatz macht die zwölf Jahre alte Firma einstweilen mit klassischen Auftragsarbeiten. Amovis ist damit symptomatisch für die zweite Generation von Unternehmen in der Berlin-Brandenburger Mobilitätsbranche: aufstrebend, jung und clever - aber auch vom Wunschdenken getrieben.

Die Branche ist weit gefasst: Vom Spezialisten für Sicherheitssysteme im Auto bis zum Verkehrsschilder-Hersteller Sistra und Air Berlin fällt alles unter das Schlagwort Mobilität. Schwergewichte und seit langem in der Region vertreten sind etwa Siemens, der Zugbauer Bombardier und Daimler mit seinem Motorenwerk. Dazu kommen die Jungunternehmer der letzten Jahre: Oft sind es Hochschulabsolventen, die Fördermittel, Forscherszene und die niedrigen Lebenshaltungskosten in Berlin schätzen. Inklusive der Zulieferer arbeiten fast 104.000 Menschen in der Branche, 64.000 davon in Berlin. Der Großteil der Umsätze wird in der Stadt erwirtschaftet: 11,4 Milliarden Euro von 15,4 Milliarden Euro insgesamt.

Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) spricht gern von einem Cluster, doch tatsächlich haben die Firmen wenig miteinander zu tun. Zu den Kunden von Amovis zählen Audi, BMW und Renault, die allesamt nicht in Berlin sitzen. Auch der Chef der Berliner Niederlassung von Takata, Dirk Meißner, sieht wenig Kontakt zu anderen Branchenvertretern in der Stadt. Takata stellt Airbags her, Fabrik und Geschäftsstelle in der Hussitenstraße gehören zum japanischen Mutterkonzern. Viel wichtiger als der Kontakt zu anderen Firmen sei, sich mit der Wissenschaft zu verzahnen, sagt Meißner: "Die Entscheidung, den deutschen Hauptsitz in Berlin zu verankern, fiel wegen der Nähe zu den Universitäten." Ausschlaggebend sei das Nachwuchspotenzial gewesen.

Takata profitiert dabei nicht nur von Absolventen der Ingenieurstudiengänge: Die Firma arbeitet auch mit Studierenden der Kunsthochschule Weißensee im Fach Industriedesign zusammen. Die Dampfmaschinen-Tüftler von Amovis wiederum profitieren von der räumlichen Nähe zur Technischen Universität (TU): Sie sitzen auf einem ehemaligen Fabrikgelände im Wedding, in das sich auch Teile der Uni eingemietet haben. Die Prüfräume, in denen die Entwicklungen getestet werden, hat Amovis von der TU gepachtet. "Das sind ideale Arbeitsbedingungen", sagt Geschäftsführer Jörg Collisi.

Auch beim Hoffnungsträger Elektromobilität setzt das Land auf den kreativen Nachwuchs. So will ein Jungunternehmer mit einem Elektroroller Autos Konkurrenz machen (Text oben), Studierende begleiten Elektroauto-Pilotversuche, Wissenschaftler haben E-Mobility-Szenarien für die Region entworfen. Senator Wolf will das Land zum Vorreiter für die Elektromobilität machen; bisher sind Berlin und Potsdam lediglich Modellregion, gemeinsam mit sieben weiteren Regionen bundesweit. Berlin/Brandenburg erhält dabei 12 Millionen Euro Förderung vom Bund.

"Es gibt gute Möglichkeiten, aus dem Modellstatus rauszukommen", sagt der Verkehrswissenschaftler Ingo Kollosche. Der öffentliche Nahverkehr sei gut ausgebaut, zudem hätten nirgends in Deutschland so wenig Menschen ein eigenes Auto - und seien daher bereit, sich auf neue Mobilitätsmuster und -versuche einzulassen. Der große kreative Szene unterstütze dies ebenfalls, berichtet der TU-Wissenschaftler, der im Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung arbeitet, das verschiedene Szenarien für die E-Mobilität in Berlin entworfen hat.

Das TU-Team rät dazu, nicht auf E-Mobility als alleinigen Glücksbringer zu setzen. Nur die Motoren auszutauschen bringe langfristig wenig - ein Wandel der Mobilität müsse forciert werden, mehr kombinierte Angebote mit dem öffentlichen Nahverkehr etwa. Und: "Elektromobilität muss sichtbar werden", fordern die TU-Verkehrsplaner. Der Senat solle seine Dienstflotte umstellen, Bundestagsabgeordnete sollten in Elektroautos vor dem Reichstag vorfahren. In puncto öffentlicher Aufmerksamkeit hätte Berlin damit die Trümpfe in der Hand.

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