■ Moabiter Werder: Kobra, übernehmen Sie
Die schier unendlich anmutende Geschichte, auf dem Moabiter Werder Wohnbauten errichten zu wollen, scheint ein Ende gefunden zu haben. Und ein überraschendes dazu. Das wiederum verwundert nicht. Denn mit gängigen Verfahren war dem Moabiter Werder noch nie beizukommen: Acht Jahre dauerte das Gezänk um das Grundstück, um Hochhäuser oder Flachbauten und Kitas an der Spree. Weitere acht Jahre Ungewißheit hätte das Gelände nicht ausgehalten. Statt Wohnungsbau wären Bürokästen und andere Scheußlichkeiten entstanden. Darum kommt der „Sonderkandidat“ zwar als Deus ex machina, ist aber kaum überraschend.
Daß dort eine 300 Meter lange Wohnhausschlange für Bundestagsabgeordnete entstehen soll, bedeutet dennoch für manche ein Ende mit Schrecken. Ausgebootet in dem Procedere um das Filetstück am Wasser wurden die Architekten, Bezirkspolitiker, Wohnungsplaner und Städtebauer, die sich – jeder für sich und manchmal gemeinsam – den Moabiter Werder als Wohnort mit Schulen und Sportanlagen für die Berliner wünschten. Noch vor dem Fall der Mauer sollten Türmchen und Hofanlagen, aber auch Passagen ins nahe Moabit gebaut werden: Die Quadratur des Kreises: Wohnskulptur und Stadtverträglichkeit sollten ausprobiert werden. Als der Bund 1991 das Gelände übernahm, war der Entwurf keinen Pfifferling mehr wert. An den Hochhäusern wurde gesägt, heimlich wurden Gutachten bei auswärtigen Planern bestellt. Statt Wohnraum für die Städter waren Luxusherbergen – die am Wochenende leer stehen – für die Volksvertreter en vogue. Die „Schlange“ im Grünen geht einen anderen Weg, ist spielerisch, gibt Raum für Singles und Familien. Das entschädigt die Enterbten vielleicht ein wenig, denn die Kobra beißt nicht. rola
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