■ Mit der Währungsunion auf du und du: Planloser Zeitplan
Berlin (taz) – Der französische Europaminister Alain Lamassoure hat unserem Kanzler zumindest nicht offen widersprochen. Nachdem Kohl in seinem Privat-Sender-Interview eingeräumt hatte, daß sich die Währungsunion um ein bis zwei Jahre verschieben könnte, hat der Europafranzose listig die alte Formel wiederholt, Paris und Bonn stünden zum vorgegebenen Zeitplan. Der kleine Meinungsunterschied spiegelt den alten und viel grundsätzlicheren Konflikt zwischen Bonn und Paris: die deutsche Regierung besteht auf einer weitgehend unabhängigen Zentralbank und strengen Aufnahmekriterien für die Währungsunion, die französische Regierung hätte es gerne etwas lockerer. Lamassoure spekuliert offensichtlich darauf, daß eine Währungsunion zum vorgesehenen Zeitpunkt zwangsläufig den französichen Vorstellungen näher kommt, weil bis dahin selbst Deutschland die harten Auflagen kaum erfüllen kann.
Die Einrichtung einer Europäischen Zentralbank 1994 stellt das geringste Problem dar. Komplizierter wird der nächste Schritt 1996, wenn die Regierungen darüber befinden, welche Länder wirtschaftlich reif sind für die gemeinsame Währung. Wenn genügend Länder zusammenkommen, bei denen Inflation, Haushaltsdefizit und Staatsschulden vorschriftsmäßig niedrig sind, dann würde es im Jahr darauf schon losgehen. Als spätester Termin wurde 1999 vereinbart.
Einen Start 1997 oder 1998 kann man vergessen. Wie es zur Zeit aussieht, könnte dann nur Luxemburg mit Dänemark gemeinsames Geld machen. Es geht also um 1999. Daß auch bis dahin kaum damit zu rechnen ist, daß die Volkswirtschaften stabil genug sind für die Eurowährung ist nicht so wahnsinnig neu. Immerhin dürfen aufnahmewillige Währungen zwei Jahre lang nicht abgewertet worden sein. Diese Regelung ist eine Einladung an alle Spekulanten, ausgiebig zu testen, ob die EG-Staaten in ihrer Wirtschaftspolitik auch wirklich im Gleichschritt gehen. bois
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