■ Mit der Universitäts-Lehre auf Du und Du: Gepriesen
Peter Kruse lehrt ausgezeichnet – auch wenn der erste Blick ins Vorlesungsverzeichnis das nicht erbringt: Seine einzige Veranstaltung heißt „Dynamische Phänomene und Modelle in den Kognitionswissenschaften“ – und zwar schon seit zwei Semestern. Trotzdem erhält der Psychologie-Dozent heute abend den Berninghausen-Preis „für ausgezeichnete Lehre und ihre Innovation“. Kruses Verdienst: Der Einsatz von Computer und Video. Aber die 10.000 Mark Preisgeld teilt er mit acht ÖkologInnen, die wie er von Studierenden für den Preis vorgeschlagen wurden.
Damit geht die Lehre-Auszeichnung ins dritte Jahr; vom Holzbaron Berninghausen gestiftet und von der „Gesellschaft der Freunde der Universität Bremen“ vergeben. Und wieder macht die Belobigung auf den Mangel an Wünschenswertem aufmerksam: Denn der Unialltag neigt sich unter dem Druck des Rotstifts schon lange den Drittmitteln zu; sie sind wie Preisgelder für Forschung. Um im Sinne der Lehre dagegen zu halten, als moralischer Riese und ideeller Ansporn mehr denn als materielle Bereicherung, wurde der Preis gestiftet.
Ein Indikator der besonderen Art ist die Auszeichnung diesem Jahr: Sie macht den Mangel an Frauen in der Lehre sichtbar, unter acht Ausgezeichneten ist eine Frau, die Biologin Karin Mathes. Alle übrigen sind Männer: Neben dem Psychologen Peter Kruse, die Biologen Prof. Dr. Dieter Mossakowski, Dr. Michael Schirmer, Prof. Dr. Gerhard Weidemann, Dr. Hartmut Koehler, Dr. Hans-Konrad Nettmann und Hannes Wähner. So lesen sich Gewinnerlisten in einer Universität, deren Frauenanteil unter den Professorinnen kaum 10 Prozent erreicht. Und wo im Mittelbau, unter den Wissenschaftlichen MitarbeiterInnen, Frauen nur zu 30 Prozent vertreten sind.
Ambivalenz ist auch die Haltung der Geehrten: Die werden bei der Verleihung wie jedes Jahr betonen, daß der Preis ja die schwierigen Bedingungen nicht verbessert, unter denen Lehre stattfindet. Aber daß sie sich trotzdem freuen, weil im ausgezeichneten Ökologie-Projekt an der Hamme nun die Kopierkosten für die unzähligen, dicken Semesterberichte übernommen werden können. Und vielleicht verraten sie auch, daß ihr Projektes gar nicht innovativ ist, wenn auch lobenswert: Das Projekt „Naturschutz im Agrarraum“ ist ein interdisziplinäres Projekt, das auf studentische Initiative zurückgeht – mithin ein alter Bremer Hut. ede
Verleihung: 18.30 Uhr, im Festsaal des Rathauses
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen