■ Mit der Unctad auf du und du: Blütezeit ist vorbei
Berlin (taz) – Längst hat man sich daran gewöhnt, daß die Weltwirtschaft von IWF, Weltbank und der neuen Welthandelsorganisation (WTO) beherrscht wird. Doch nun meldet sich eine vierte Organisation wieder zu Wort, die vor allem die Interessen der Entwicklungsländer vertritt: die beinahe totgeglaubte UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad). Die Blütezeit der 1964 gegründeten Organisation dürfte allerdings unwiederbringlich vorbei sein; daran wird auch die neunte Konferenz wenig ändern. Deren 188 Mitglieder treffen ab morgen in Südafrika zusammen.
In den sechziger Jahren hatte die Unctad eine wichtige Aufgabe als Vertreterin der zum Teil gerade erst unabhängig gewordenen Entwicklungsländer. In den Siebzigern beherrschte sie sogar die Debatte über Handel und Entwicklung mit ihrem Konzept für eine Neue Weltwirtschaftsordnung. Kernstück war das sogenannte integrierte Rohstoffprogramm, das die Preise der Hauptexportgüter der Entwicklungsländer stabiliseren sollte.
Die achtziger Jahre jedoch, die verlorene Dekade für die Entwicklung, brachten ein Roll- back. Die Industrieländer blokkierten alle Fortschritte; der Ölschock, den die Opec-Entwicklungsländer ausgelöst hatten, und damit die Angst vor Rohstoffknappheit waren vorbei. Und in den Neunzigern hat die Unctad durch die WTO-Gründung endgültig ihre Chance verloren, sich zur maßgeblichen Instanz für die Regulierung des Welthandels zu mausern.
Einzig greifbares Ergebnis von einiger Tragweite der bisherigen acht Unctad-Konferenzen blieb die schrittweise Umsetzung des Allgemeinen Präferenzsystems, das Exporten aus Entwicklungsländern in vielen Industrieländern eine Zollvorzugsbehandlung einräumt. Mit ihren übrigen Vorhaben – neben dem Rohstoffprogramm gehört dazu etwa eine Verstärkung des Kapitaltransfers in die Länder des Südens und eine verbesserte Süd-Süd-Kooperation – ist die Unctad jedoch weitestgehend gescheitert. Weil die Entwicklungsländer die Stimmenmehrheit halten (anders als bei IWF und Weltbank gilt „ein Land – eine Stimme“), haben sich die Industrieländer die Regel ausbedungen, daß kein Land auf Resolutionen verpflichtet werden kann, denen es nicht zugestimmt hat. So wurde ein gemeinsamer Rohstoffonds zwar beschlossen, aber mangels Finanzierung konnte er seine Arbeit nicht aufnehmen.
Eine Chance sieht der derzeitige Generalsekretär, der ehemalige brasilianische Finanzminister Rubens Ricupero, jedoch darin, daß die Unctad die Aufgaben übernimmt, für die die WTO nicht gerüstet ist: Sie soll ein Diskussionsforum darstellen, in dem auch regierungsunabhängige Organisationen ihren Platz finden und mit Politikstudien laufende Entwicklungen beeinflussen. Nicola Liebert
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