■ Mit der EG-Weinquote auf Du und Du: Nix verkommen lassen
Was den Wein angeht, so haben die meisten schwäbischen Bauern zum Himmel ein pragmatisches Verhältnis. „Was der liebe Gott hat wachsen lassen, das nimmt man auch.“ Trauben gelten als Geschenk der Natur, was am Rebstock hängt, kommt auch ins Faß.
Masse gilt als Schaden nicht, und daß der Mensch mit Dünger und Insektenkillern dabei ordentlich nachhilft – was soll's. Wie zum Beispiel sieht's aus mit dem 92er? Sagt der Mann von der Winzergenossenschaft Heilbronn: „Se schimpfa halt.“
Nun gelten Wengerter von Haus aus als Nörgler („Bruddler“), aber in diesem recht ordentlichen Jahr (siehe auch Seite 28) verwundert die Unzufriedenheit doch ein wenig. Ist's die Sonne, der Regen? „Noi“, kommt die Antwort, „d' EG.“ Würde unter den mit ihren Treckern vor der Waage Schlange stehenden Winzern über die Maastrichter Verträge abgestimmt, das Resultat wäre eindeutig.
In diesem Jahr nämlich greift hier zum ersten Mal eine Regelung des europäischen Weinmarktes: Die Höchstvermarktungs-Grenze. Allein in Württemberg werden in diesem Herbst 160 Millionen Liter Wein erwartet – 40 Millionen zuviel. 110 Liter je Ar dürften in diesem Anbaugebiet gelesen werden (in Baden 90 Liter), auf etwa 150 wird es hinauslaufen. Wohin aber mit dem ganzen Stoff?
Keine Panik, die Reglementierung kennt schließlich den Begriff der sogenannten Übermenge. Das heißt nichts weniger, als daß auch die 40 Millionen in den Handel gebracht werden können – einen schlechten Ertrag 1993 einkalkuliert, der dann angerechnet werden könnte.
Bloß noch eine Klippe ist nun zu umschiffen. Auch die Genossenschaften nehmen nur bis zur einer gewissen Menge Trauben je Ar ab, mancher Winzer muß dann doch etwas von den göttlichen Geschenken im Weinberg hängen lassen – oder auch nicht. Schließlich gibt es ja noch den eigenen Keller, und nicht wenig wird dort landen (wär nicht alles andere eine Sünd' ?). Geschäfte für Winzerbedarf jedenfalls freuen sich derzeit über eine erhöhte Nachfrage nach Pressen, Bottichen und Tanks – gefüllt wird offenbar alles, wo Flüssiges reinpaßt.
So ganz legal ist das natürlich nicht, wenn aus weißen wie roten Trauben plötzlich Schwarzwein wird auf einem grauen Markt. Nur: Soll man's denn verkommen lassen? Wer seit alters her Massenwein produziert hat, tut sich schwer mit vernünftiger Mengenregelung. Konsequenter Rebschnitt im Frühjahr und späteres Ausdünnen der Trauben, um bessere Qualitäten zu erzielen – eine fremde Welt für viele Winzer. Dafür hat gerade der Mainzer Ministerpräsident Scharping 20 Millionen Mark bereitgestellt, um aus 150 Millionen Litern Wein Industriealkohol zu destillieren. „Vom Markt nehmen“, heißt das. So geht's halt auch. Herr Thömmes
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