■ Mit der DDR-Atomschmiede auf du und du: Alles unter Kontrolle?
Berlin (taz) – Amerikanische Regierungskreise machen sich Sorgen um die deutsche Atomwirtschaft: Münchner Physiker wollen für ihren neuen Versuchsreaktor unbedingt bombenfähiges Uran einkaufen. Das US-Außenministerium wies bisher vergeblich auf die Gefahr hin, daß damit der Atomwaffensperrvertrag unterlaufen werde.
Die Warnung kommt zu spät. Der Zusammenbruch der DDR hat der Bundesrepublik sowjetisches Atomwaffenmaterial in die Hände gespielt, das die Atomenergie-Behörde in Wien nie kontrolliert hat. Die amerikanische Zeitschrift Nuclear Fuel äußert den Verdacht, daß sich die Plutoniumschmuggler, die in diesem Sommer für Aufregung sorgten, in den ehemaligen Atomlabors der DDR in Rossendorf bei Dresden bedient haben könnten. Eine 60 Gramm schwere Probe reinen Waffenplutoniums scheint zwar nach Meinung des Karlsruher Instituts für Transurane tatsächlich aus der ehemaligen Sowjetunion zu stammen. Aber das Material könnte in Deutschland gelagert worden sein. Nuclear Fuel zitiert einen unverdächtigen Zeugen: Wolf Häfele, den heutigen Leiter der Rossendorfer Anlage und vor der Wende führender Verfechter der Plutonium- und Brüter-Technik im Westen. Häfele gibt zu, daß die Sowjetunion einige Gramm hochreinen Plutoniums nach Rossendorf geliefert habe. Leider lasse sich heute nicht mehr feststellen, wo dieser Stoff geblieben sei. Auch der genaue Absender sei unbekannt.
Die Grüne Liga Dresden vermutet gegenüber der Jungen Welt, daß die Nationale Volksarmee 1983 ein militärisches Atomlager der Sowjetunion übernommen habe. Auch dem heutigen Rossendorfer Chef dürfte der militärische Aspekt geläufig sein: Häfele war an den Verhandlungen über den Nichtverbreitungsvertrag für Atomwaffen beteiligt. Der Atomwaffenexperte Matthias Küntzel wirft ihm in einem Interview mit dem Strahlentelex vor, daß er immer den militärischen Nutzen der Brüter-Technik dargestellt habe.
Eben daran wurde auch in Rossendorf geforscht. Zu der Anlage gehörte außerdem ein Forschungsreaktor, der mit hochangereichertem Uran betrieben wurde. Vergleichsweise zivil war nur die Anlage zur Isotopentrennung: Sie belieferte im Auftrag von Schalck-Golodkowski Krankenhäuser im Westen. Niklaus Hablützel
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