Mit der Bildung auf Du und Du: Kahrs findet Giftliste „nicht auskömmlich“
■ Bildungssenatorin: Spar-Ziele des Finanzsenators „öffentlich diskutieren“
Nach nur vier Monaten hängt der Haussegen gründlich Schief in der Bremer Koalition. Die CDU setzte sich von Scherfs „Solidarpakt“ ab, Scherf wies das Verfahren „Giftliste“ zurück, mit dem Nölles Finanzbehörde ihre auch unter Volker Kröning betriebene Sparpolitik fortsetzen wollte. All das wirft die Frage auf, was denn in den sog. „Chefgesprächen“ über die Eckwerte des Etats, zu denen der Finanzsenator in den letzten Wochen die FachsenatorInnen persönlich geladen hat, herausgekommen sein kann.
Nicht viel auf jeden Fall für die Bereiche Bildung/Wissenschaft/Kunst. Mit „Thesen zur Sparpolitik“ hat die zuständige Senatorin Bringfriede Kahrs jetzt die Vorschläge des Finanzsenators zu ihrem Bereich klar zurückgewiesen, das Papier trägt erkennbar die Handschrift der Bildungssenatorin: „Die Eckwerte sind nach allem bisherigen Verständnis von Mindeststandardsicherung nicht auskömmlich.“ Kahrs wird recht deutlich: „Die Lösung der anstehenden Probleme kann nicht vom Finanzsenator erdacht werden.“
Im Einzelnen steht die Senatorin diversen Vorschläge aus der Giftliste Nölles verständnislos gegenüber. Etwa die „Erhöhung der Lehrerwochenarbeitszeit“: diese Idee sei „kontraproduktiv“ und stehe im Widerspruch zum Kooperationsvertrag mit der GEW, der im Koalitionsvertrag bestätigt wurde. Eine gute Schule, erinnert die Senatorin, sei „kein Unternehmen, das ausschließlich betriebswirtschaftlich nach Kosten-/Nutzen-Relationen erfaßbar ist“.
Unverständlich findet die Senatorin auch, daß Nölle die Vorklassen ersatzlos streichen will, während die Sozialsenatorin gerade daran arbeitet, „kostenneutrale Lösungen“ für die „notwendige Betreuung von Kindergarten- und Hortkindern sicherzustellen“.
Zur Kultur ist die Senatorin ebenso kategorisch: „Kulturelle Angebote gehören zur Grundversorgung einer Stadt“, erinnert sie den Finanzsenator, „Einschnitte, die oberzentrale Einrichtungen gefährden oder ganze Regionen kulturell verwüsten, sind nicht hinnehmbar.“ Oder für die Uni: „Die Forderung nach Schließung des Energieinstitutes an der Universität zeugt von wenig Sachkenntnis. Natürlich muß die Wissenschaft nach Wegen suchen, künftig mehr als bisher Energie zu sparen.“
Für den Dezember, wenn in den Fachdeputationen der Doppelhaushalt 1996/97 vorberaten wird, kündigt die Senatorin den großen Streit an: Da „wird öffentlich zu diskutieren sein, ob die Prioritäten richtig gesetzt sind. Mir liegt daran, im Vorfeld die Betroffenen weitestgehend einzubeziehen.“
Dieses „die Betroffenen einbeziehen“ kann nach Lage der Dinge nur bedeuten, daß die Senatorin sich den Protest der Betroffenen gern anhören wird – um für ihre weiteren Verhandlungen Rückenwind zu haben. „Öffentlich“ soll der Streit sein, das bedeutet: Kompromißmöglichkeiten für interne Koali-tionsberatungen sieht die Senatorin nicht mehr. Schon aus taktischen Gründen muß sie sich solange auch mit eigenen Spar-Vorschlägen zurückhalten. K.W.
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