■ Mit den Funkausstellern auf du und du: Kaum vermittelbar
Berlin (taz) – DAT, DCC, MD oder CD-I, HDTV, DAB oder D2-Mac ... Nix kapito? Da geht es Ihnen so wie vielen potentiellen KundInnen der Unterhaltungselektronik-Industrie. Und darin dürfte schon ein Grund liegen, warum die Branche darbt. Der Markt ist weitgehend gesättigt – 96 Prozent der deutschen Haushalte besitzen mindestens ein Fernsehgerät, 51 Prozent der Westdeutschen einen CD-Player. Der rechte Anreiz, sich mit neuen High-Tech- Geräten einzudecken, fehlt der Kundschaft einfach.
Zum Beispiel die Digital Compact Cassette (DCC), eine von Philips entwickelte digitale Musikkassette: Sie sollte die Digital Audio Tape (DAT) ablösen. Der DAT-Markt kam nach einem langen Streit mit der Musikindustrie, die einen Boom von Raubkopien fürchtete, nie in Schwung. Welche Vorteile DCC gegenüber DAT bieten soll, ist kaum vermittelbar, nur daß beide Systeme viel teurer sind als herkömmliche Kassettendecks. Zugleich will der japanische Branchen-Gigant Sony als Konkurrenz zu DCC die Mini-Disc (MD) auf den Markt drücken. Bislang hat sich keines der Systeme durchgesetzt, eine Nachfrage besteht anscheinend nach keinem von beiden.
Im TV-Sektor sollte das hochauflösende Fernsehen HDTV die Verkaufswende bringen. Doch nachdem die EG etwa 1,2 Milliarden Mark in die Förderung eines europäischen Standards mit analoger Übertragung gesteckt hat, wird dieses System jetzt von einem digitalen System aus den USA überholt. Derweil werden fast keine Programme in der neuen Norm ausgestrahlt – der Fernsehzuschauer fragt sich, wozu er 10.000 Mark für solch ein neues Gerät ausgeben soll.
Obwohl jeder bundesdeutsche Haushalt im Schnitt 700 Mark im Jahr für die „braune Ware“ ausgibt: Bei den Herstellern kriselt es. Zwar waren 1992 einigungsbedingt Rekordumsätze zu verzeichnen. Doch sind im ersten Halbjahr 1993 die Umsatzzahlen um 10 Prozent abgestürzt. Was schlimmer ist: Auch wenn der Umsatz hoch ist, bei sinkenden Preisen läßt sich trotzdem kaum etwas verdienen. Ein Videorecorder wurde im Laufe des vergangenen Jahres etwa 11 Prozent billiger, ein Camcorder sogar bis zu 40 Prozent. Sony verzeichnete im Geschäftsjahr 1992/93 einen Verlust von 250 Millionen Mark, ein Novum in der Firmengeschichte. Der europäische Marktführer Philips konnte 1993 zum dritten Mal in Folge keine Dividende an seine AktionärInnen ausschütten. Grundig, zu 30 Prozent im Besitz von Philips, muß bis Ende des Jahres 5000 Arbeitsplätze abbauen, also fast ein Drittel.
Auf der heute beginnenden Funkausstellung gibt es nur eine Abteilung, in der Aussteller mit frohen Gesichtern zu sehen sein werden: bei der Telekommunikation. Die Entwicklung des Marktes für Mobiltelefone übertraf sogar kühne Erwartungen. Und bis zum Jahrtausendende soll sich der Markt noch verzehnfachen. Nicola Liebert
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