■ Mit dem Ozonloch auf du und du: Teure Sorglosigkeit
Berlin (taz) – Alle Jahre wieder wächst das Ozonloch. Auf der Südhalbkugel ist es mal wieder soweit: Die ersten Frühlingsstrahlen regen die Menschen nicht nur zum Flirten an, sondern auch die Chlormoleküle zum Amoklauf in der Stratosphäre. Obwohl die Konzentration des aus drei Sauerstoffatomen bestehenden Ozons in 10 bis 40 Kilometer Höhe ausgesprochen niedrig ist – übereinandergelegt ergäben die Moleküle nur eine 3,6 Millimeter dicke Schicht – sind sie für das Leben auf der Erde unverzichtbar: Sie filtern die UV-Strahlen der Sonne. Wo die Schicht dünn wird, steigt nicht nur die Hautkrebsrate. In Südargentinien schmelzen auch Gletscher rapide ab, Schafe und Hasen erblinden zuhauf.
Außer Flugzeugabgasen sind FCKW-Moleküle Hauptverursacher des Ozonlochs, das im letzten Jahr über der Antarktis bereits dreimal so groß war wie die USA. Zwar ist die Herstellung der 1930 bei General Motors erstmals zusammengebrauten Chemikalie ab Anfang nächsten Jahres in Deutschland verboten, und auch in anderen Industrienationen gibt es inzwischen Ausstiegstermine. Gute Zeiten für die Ozonschicht aber brechen noch lange nicht an.
In Deutschland sind etwa 80.000 Tonnen FCKW als Treibgas in Hartschäumen auf dem Markt. Und in den Röhren deutscher Kühlschränke befinden sich nach Schätzung einer UNO-Expertise etwa 25.000 Tonnen des giftfreien und trotzdem gefährlichen Gases. Zwar landen kaum noch Eisschränke auf Müllkippen. Techniker weisen aber darauf hin, daß auch beim Recycling erhebliche Mengen FCKW in die Atmosphäre gelangen können: Etwa ein Drittel des Kühlmittels entweicht, wenn ein Monteur Hand anlegt. Im Gegensatz zu sonstiger Sondermüllentsorgung hinterläßt das Freisetzen von FCKW außerdem keine unmittelbaren Spuren: Hahn aufdrehen ist eine billige und ungefährliche Entsorgungsmethode.
Auch aus deutschen Deponien gasen erhebliche Mengen FCKW aus. Durchgerostete Spraydosen und Eisschränke geben etwa 200 Tonnen im Jahr ab. Etwa 40.000 Tonnen FCKW sollen in den letzten Jahrzehnten vergraben worden sein.
Bisher wurde das rückgewonnene FCKW entweder wiederverwendet oder endgelagert. Hoechst baut gerade einen Reaktor, in dem bei über 2.200 Grad der ansonsten fast unzerstörbare Stoff geknackt und in Salzsäure, Kohlendioxid und einige andere Stoffe zerlegt wird. Andere Entsorgungsmethoden werden erst erprobt. Produzieren ist einfach, loswerden ist schwer. aje
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen